Äpfel – vom Paradies zum Supermarkt: eine Industrialisierungsgeschichte
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Anfang des 20. Jahrhunderts gab es bei uns noch mehr als tausend Apfelsorten. Heute liegen im Supermarkt meistens nur noch derer drei oder vier. Auf den Wochenmärkten ist vielleicht noch ein Dutzend zu finden – wenn man Glück hat. Der Verlust an Vielfalt, die rasante Dekultivierung und Standardisierung des Apfels ist das Thema der jüngsten Veröffentlichung von Stefanie Böge. Die Wissenschaftlerin ist in Deutschland mit ihrer brisanten Studie zu den irrsinnigen Transportwegen des Joghurts bekannt geworden. Jetzt hat sie in ihrer Doktorarbeit den Apfel gepflückt und untersucht.

Ohne Umschweife: Es ist ein wunderbares Buch. Nicht die übliche Jeremiade über den Verlust hunderter alter Apfelsorten wird angestimmt, sondern informiert und dem Apfel in alten Kellern nachgespürt.

Einige Überschriften: „Der Apfel in der Mythologie“, „Der Apfel in der NS-Zeit“, „Die neuen Anbaumethoden“, „Die Reglementierung des Apfels“, „Die Reduzierung des Sortenbestands“. Die Apfelkultur bleibt eingebettet in die jeweilige ideologische und wirtschaftliche Entwicklung. Wir verfolgen die Frucht von ihrer Blüte bis zu ihrem Niedergang als hochpoliertes, aufgeblasenes, optisch perfekt designtes Lebensmittel, das nach viel Wasser und wenig Apfel schmeckt.

Das Buch ist ein Lehrstück über die Industrialisierung unserer Lebensmittel. Am Ende sind einige Interviews mit Apfelbauern angefügt, die von ihrer praktischen Arbeit erzählen zwischen Ausgleichszahlungen, EU-Normen und Schädlingsbekämpfung.

Jammerschade, dass die Autorin keinen größeren Verlag für ihr Buch gefunden hat. Es hätte mehr Leser verdient, als es vermutlich finden wird. MAN

Stefanie Böge: „Äpfel – vom Paradies bis zur Verführung im Supermarkt“, Vertrieb für Bau- und Planungsliteratur, Dortmund 2003, 260 Seiten, 22,50 €