Im Notfall schnell 10 Euro sparen

Die Kassenärztlichen Vereinigungen gehen gegen Patienten vor, die sich weigern, die Praxisgebühr von zehn Euro zu zahlen. Der ärztliche Notdienst hat die meisten Ausfälle zu verkraften. Musterklage vor dem Sozialgericht Düsseldorf

DÜSSELDORF taz ■ Der Musterpatient der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein ist männlich, mittleren Alters, besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und wohnt in Düsseldorf. Demnächst muss der Mann sich vor dem Düsseldorfer Sozialgericht verantworten. Die kassenärztliche Vereinigung hat sich den Mann unter 13.000 Personen herausgesucht, um eine Musterklage gegen einen Patienten zu führen, der sich weigert, die seit Anfang des Jahres in jedem Quartal fällige Praxisgebühr zu bezahlen.

Frank Nauendorf, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, sagt, unter den rund 13.000 säumigen Zahlern gebe es keine Unterschiede. Die Vereinigung habe den Düsseldorfer zufällig ausgewählt, natürlich „ist es gut, dass wir das Verfahren hier vor Ort durchführen können“, sagt Nauendorf. Da habe es sich wohl um Losglück gehandelt, sagt der Ärztesprecher zweideutig. Das Verfahren wird, so erwarten es die Kassenärzte, ein Musterprozess. Denn die Vereinigung erwartet, dass der Prozess durch mehrere Instanzen gehen wird. „Wir erwarten vor Gericht eine Klärung des Verfahrens“, sagt Nauendorf. Denn die Praxisgebühr „wird von der Vereinigung nicht geliebt“, sagt er. Zudem seien die Kosten für das Eintreiben der Praxisgebühr weit höher als der Ertrag. Schließlich erhielte die Vereinigung pro Mahnverfahren „nur eine Aufwandspauschale von vier Euro“. Dass es sich deshalb um einen mit dem Beklagten abgesprochenen Musterprozess handeln könne, bestreitet Nauendorf.

Vor Gericht könne der Beklagte dazu verdonnert werden, die zehn Euro Praxisgebühr plus 3,10 Euro Mahngebühren zu zahlen. „Hinzu kommen dann Gerichtskosten von rund 100 Euro“, erwartet Nauendorf. Auch die westfälisch-lippische Kassenärztliche Vereinigung hat mittlerweile Verfahren gegen die Verweigerer der Praxisgebühren eingeleitet. „Rund 20.000 Mahnschreiben gehen heute raus“, sagt Andreas Daniel, Pressesprecher der Vereinigung mit Sitz in Münster. Insgesamt hätten nur 0,5 Prozent der Patienten sich geweigert, die Gebühr zu bezahlen, sagt er. „Die Ärzteschaft ist über die Zahlungsmoral der Patienten insgesamt sehr erfreut“, bilanziert Daniel. Ausstehende Zahlungen kämen auch häufig dadurch zustande, dass Patienten ihre Daten nach einem Umzug nicht schnell genug bei den Krankenkassen aktualisierten, sagt er. Klagen wollen auch die Münsteraner gegen uneinsichtige Patienten.

Das Düsseldorfer Landgericht rechnet im aktuellen Fall mit einem langen Verfahren. Problematisch sei, dass nicht geklärt sei, ob es sich bei der Praxisgebühr um eine allgemeine Angelegenheit der Kassen handele, oder ob es um die vertragsärztliche Versorgung gehe, sagte der Präsident des Sozialgerichts, Peter Elling, gestern in Düsseldorf. Zusätzlich müsse geprüft werden, ob die Kassenärztliche Vereinigung berechtigt sei, Leistungsklage zu erheben.

Die Praxisgebühr werde am häufigsten bei Behandlungen durch den ärztlichen Notdienst verweigert, sagt Nauendorf. Dort gäben Patienten teilweise falsche Daten an oder hätten keinen Ausweis dabei, sagt er. Gerade beim Notdienst lasse sich aber auch die Lenkungswirkung der Gebühr feststellen, sagt sein Kollege Daniel. „Wir haben dort einen Rückgang, der die betroffenen Ärzte nicht gerade unglücklich macht“, sagt er. Die Menschen warteten nicht erst bis zum Wochenende, um sich mit kleineren Blessuren beim ärztlichen Notdienst behandeln zu lassen. „Die Leute kommen nicht mehr wegen jedes Pickels oder Sonnenbrands.“ ELMAR KOK