Village Voice
: Immer wieder eine Verschiebung der musikalischen Koordinaten, hin zum Indie-Digitalismus: Swod mit „Gehen“, Dub Tractor kommt „Faster“, beide für die City Centre Offices

Swod „Gehen“ (City Centre Offices/Hausmusik)

Was tun nach dem Techno-Burnout? Wenn sich die digitalen Beats plötzlich nicht mehr nach Eleganz und Modernität anfühlen, sondern kühl und ermüdend? Wenn die „elektronischen Lebensaspekte“ Entfremdung hervorrufen, obwohl man sich von diesem Gefühl ideologisch doch längst verabschiedet hatte? Auf seinem Label „City Centre Offices“ veröffentlich Thaddi Herrmann, Redakteur von de:bug, verschiedene Strategien, der Sterilitätsfalle zu entgehen, ohne sich des modernen Gewands zu entkleiden. Anstatt die Experimentalschraube immer um weitere Windungen in die Unhörbarkeit zu drehen, erscheinen auf CCO Platten mittlerer Reichweite. Digitale Ästhetiken gepaart mit traditionellem Instrumentarium: heutige Indie-Musik im besten Sinn.

Auf „Gehen“, dem Debüt vom Duo Swod pluckert zisselige Elektronik gegen ein klassisches Piano an. Die Click-Sounds und Störgeräusche verwebt Oliver Doerell mit echtem Schlagzeug zu einem wunderbar löchrigen, akustisch-digitalen Klangnetz. Schon mit Dictaphone hat er so im doppelten Sinn versponnene Rhythmen kreiert, in die an manchen Stellen noch unauffällige Gitarren- oder Basslicks fließen. To Rococo Rot und Snd sind hier die Paten. Das neoklassische Flügelspiel von Duo-Partner Stephan Wörmann ruft dagegen eher ECM-Platten von Ketil Bjornstad, das repetitive Piano von Philip Glass und stellenweise Yann Tiersen als Referenzen auf. Bei einigen Stücken gehen diese unterschiedlichen Traditionen harmonische, bei anderen eher problematische Ehen ein. Nach einer Weile kann sich beim Hören der Wunsch einschleichen, einmal einfach nur Doerells Rhythmen zu lauschen, sie von Wörmanns Lyrizismen befreit zu genießen. Mut zur Lücke hätte „Gehen“ gut getan. Und so hofft man trotz der schönsten Momente, dass Swod nur ein Nebenprojekt neben den noch besse- ren Dictaphone bleiben wird.

Anders ist das bei Anders Remmer, der in den Band-Projekten System und Future 3 aktiv ist. Begonnen hat er sein Soloprojekt Dub Tractor rein digital. Mit der EP „Faster“ hat auch er die Verschiebung der musikalischen Koordinaten, die sich schon auf der letzten LP „More or less Mono“ abzeichnete, fortgesetzt. Allerdings eher in Richtung Indie-Song-Format. Auf zwei Stücken (dem Titeltrack und der kleinen Hymne „Right/Wrong“) singt er, das dominante Instrument ist aber eindeutig seine Gitarre. Deren Klänge und Riffs werden zerstückelt und wieder zusammengesetzt, einzelne Töne geloopt, Flächen aus angezerrten Akkorden gebastelt. Das klingt manchmal nach den hervorragenden Books aus New York und beim letzten Stück wie eine höhergeschwinde Velvet-Underground-Version. Zu den verwurstelten Gitarren gesellen sich Melodieschnipsel und knarzige Beats.

Wenn sich das immer so anhört, die am Rechner erworbenen Skills auf traditionelle Instrumente loszulassen, dann kann man sich über die neuen Koalitionen nur freuen. Die Multiplikation Prozessoren/Sampler mal Saiten/Tasten führt hier zu fantastischen Resultaten. GUIDO KIRSTEN