Bush vermisst sein ABC

Massenvernichtungswaffen wurden im Irak bislang nicht gefunden, sagt David Kay, Chef der US-Waffeninspektoren. Präsident George W. Bush sieht sich trotzdem in seiner Kriegspolitik bestätigt

WASHINGTON taz ■ Knapp ein halbes Jahr nach dem Ende der Kampfhandlungen haben die USA immer noch keine ABC-Waffen in Irak gefunden. Das erklärte US-Waffeninspektor David Kay am Donnerstag vor den Geheimdienstausschüssen von Senat und Abgeordnetenhaus in einem Zwischenbericht. Allerdings gebe es Hinweise darauf, dass der Irak geplant habe, die Produktion von Massenvernichtungswaffen wieder aufzunehmen.

Laut Kay wurden mehrere geheime Labors entdeckt, die vor den UNO-Waffeninspektoren versteckt worden seien. Außerdem gebe es Hinweise darauf, dass der Irak an Raketen mit einer Reichweite gearbeitet habe, die außerhalb der von der UNO erlaubten Grenzen lag. Kay erklärte die erfolglose Suche damit, dass die Waffenprogramme geheim und in verschiedene Zellen aufgegliedert gewesen und Unterlagen vernichtet worden seien. Kay leitet ein Team von 1.200 Mitarbeitern, das im Irak nach Hinweisen auf verbotene Waffen sucht.

US-Präsident George W. Bush sah sich nach der Veröffentlichung des Berichts bestätigt. Dieser zeige, dass der irakische Exstaatschef Saddam Hussein „eine Gefahr für die Welt“ war, sagte Bush gestern vor dem Weißen Haus. Ganz ähnlich reagierte der britische Außenminister Straw. Der Bericht belege, wie „gefährlich“ und „betrügerisch“ das Regime in Bagdad gewesen sei.

Die oppositionellen Demokraten reagierten in Washington mit scharfer Kritik. Nach Ansicht von Senator David Rockefeller steht Bushs Außenpolitik auf dem Prüfstand. Präsidentschaftskandidat Wesley Clark sagte, die Bush-Regierung habe mit der Art, wie sie ihre Außenpolitik handhabe, die USA in Gefahr gebracht. Möglicherweise sei die Außenpolitik sogar mit kriminellen Mitteln betrieben worden. Clark forderte eine unabhängige Untersuchung, ob die Regierung Geheimdienstmaterial manipuliert hat. Auch Republikaner im Kongress zeigten sich enttäuscht. „Ich bin nicht erfreut von dem, was ich heute gehört habe“, sagte Pat Roberts, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses, im Senat.

Immer mehr Menschen in den USA zweifeln mittlerweile am Sinn des Irakkriegs. In einer am Donnerstag in der New York Times veröffentlichten Umfrage erklärten 53 Prozent der Befragten, der Krieg habe sich nicht gelohnt. Die Hälfte der Amerikaner traut Bush überdies nicht mehr zu, internationale Krisen meistern zu können.

Im Irak werden unterdessen die Guerillaangriffe immer gefährlicher, sagte US-General Ricardo Sanchez. Bei Anschlägen auf US-Einheiten starben am Donnerstag in Tikrit, Bagdad und Samarra drei Soldaten.

MICHAEL STRECK

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