Heimische Obstbauern mit neuen Tricks

Die Apfelernte in Nordrhein-Westfalen ist in diesem Jahr so gut ausgefallen wie selten zuvor. Dennoch leiden die heimischen Bauern unter internationalem Druck. Sexualkampfstoffe sollen den Wettbewerb gegen ausländisches Pestizid-Obst verbessern

Der Apfelwickler wird mit Sexualdüften verwirrt, statt mit Pestiziden getötet

AUS HIDDENHAUSEN UWE POLLMANN

„Das hier ist die graue Zabergäurenette“, sagt Karsten Otte und zeigt stolz in einem Apfelbaumhain auf sein neuestes Kernobst. „Dann habe ich hier noch Alkmene, Delba, Gravensteiner und den roten Berlepsch. Das ist eine alte Sorte, die ein köstliches Aroma hat, aber leider sehr schwierig in der Kultivierung ist.“ Der agile Obstbauer bewirtschaftet in dritter Generation einen 60 Hektar großen Obsthof in Hiddenhausen im Kreis Herford. Neben Beeren, Zwetschgen und Birnen wachsen hier rund 30 verschiedene Apfelsorten. Doch seine Leidenschaft werde immer weniger belohnt, klagt der 45jährige.

Denn am meisten nachgefragt werden von Ottes Kunden eher Boskop und Elstar. Seine Abnehmer sind Wochenmärkte, der eigene Hofladen und der Einzelhandel. Aber auch der kauft dem Landwirt immer weniger ab: „Ich kann nur noch an wenige Anbieter Früchte absetzen und das führt dazu, dass ich häufig keine Kosten deckenden Preise erziele.“

Denn das Preisniveau sei äußerst gering. „Zudem werden aus den anderen EU-Ländern und aus Übersee Früchte importiert, die mit Chemikalien behandelt werden, die hier längst verboten sind“, schimpft Otte. „Dadurch erzielen die ausländischen Anbieter einen erheblichen Kostenvorteil.“

In der Tat füllt nun Importware, nicht nur aus der EU, sondern immer häufiger auch aus Südafrika, Argentinien oder Neuseeland die Supermärkte. Heimische Äpfel sind nur noch selten zu finden. Dabei können die Obstbauern in diesem Jahr mit einer reichhaltigen Ernte aufwarten. Über 52.000 Tonnen werden in diesen Wochen um Meckenheim, bei Bonn, am Niederrhein oder auch in Ostwestfalen geerntet, meldet die Landwirtschaftskammer NRW. Das sei weit mehr als im vergangenen Jahr, weil moderate Temperaturen und regelmäßiger Regen dem Kernobst ein ideales Wachstum beschert hätten.

Doch nun müssen die Früchte auch abgesetzt werden. Und Experten der Landwirtschaftskammer, die den Obstmarkt weltweit beobachten, können da die Sorgen der hiesigen Obstbauern verstehen. Auch Heinz Ludger Röwekamp von der Landwirtschaftskammer NRW kritisiert, dass in Übersee und in Europa Pflanzenschutzmittel gegen Schädlinge gespritzt werden, die in Deutschland verboten sind: „Als Beispiel sind Phosphorsäure- und Esterhaltige Produkte zu nennen, die in anderen Anbaugebieten noch zur Bekämpfung des Apfelwicklers gestattet sind.“ Ein weiteres Beispiel sei das in Italien und Holland verwendete Insektizid Carbaryl, was hier nicht gespritzt werden dürfe.

Jedoch sind dazu vollständige Analysen schwer. So hat das Chemische Untersuchungsamt in Bielefeld verschiedene heimische und Importäpfel nach Pestiziden untersucht. Es stellte „überall“ geringe Rückstände fest. Allerdings kann man die Äpfel nur nach jenen Giften prüfen, die man kennt, sagt Heinz-Dieter Winkeler von dem Bielefelder Untersuchungsamt: „Das heißt, dass die Proben, in denen wir keine Pestizide nachweisen konnten, Pestizide hätten enthalten können. Aber wir sind nicht in der Lage, diese dann zu erfassen.“

Um dem Verbraucher aber mehr Sicherheit zu geben, hat die Landwirtschaftskammer mit den Obstbauern strenge Kontrollen eingeführt. Laut Kammermitarbeiter Röwekamp wird auf den Höfen und in den Feldern von speziellen Kontrolleuren geprüft. Darüber hinaus gebe es unangekündigte Kontrollen im Einzelhandel oder im Hofladen.

Ohnehin setzen Obstbauern nach Angaben der Landwirtschaftskammer NRW häufiger auf biologische Verfahren gegen Schädlinge. So nutzt der Hiddenhauser Landwirt Karsten Otte für seine Bio-Äpfel – wie auch für seine konventionell angebauten Früchte – Sexualduftstoffe, um etwa den Apfelwickler zu bekämpfen. Er hängt dazu kleine Plastikpatronen, die den Sexuallockstoff des Apfelwicklerweibchens verströmen, in seine Bäume.

„Das Weibchen kann so vom Männchen nicht mehr gefunden werden“, sagt Otte. „Es kommt zu keiner Vermehrung unter den Apfelwicklern und die Äpfel bleiben unversehrt.“ Mit solch umweltschonenden Verfahren hoffen hiesige Obstbauern, wieder mehr Käufer für ihre Produkte zu finden.