: Wer die größte Kanone hat
Ein neuer Polizistentyp lockert die stereotype Bullendarstellung der landläufigen Fernsehcop-Storys auf: Dein schwuler Freund und Helfer. Bei Sat.1 ermitteln gleich zwei homosexuelle Ordnungshüter
von SILKE BURMESTER
Hat der Bulle von Bad Tölz eigentlich Sex? Und wenn ja, mit wem? Kann so einer überhaupt noch? Es gibt Fragen, die will man nicht wirklich beantwortet haben. Und weil es eben Dinge gibt, die man sich gar nicht vorstellen möchte, ist es gut, wenn für diese Dinge Figuren gewählt werden, die man/frau gern sieht: Leo Kraft und Falk von Schermbeck.
Sat.1 hat ein neues Genre geschaffen: den Krimi mit schwulem Kommissar. Zwar gilt der Urvater aller Ermittler, Sherlock Holmes, Eingeweihten ebenfalls als homosexuell, doch spielte dies in der bisherigen Darstellung keine Rolle. Anders bei den Figuren Leo Kraft (Henning Baum) in „Mit Herz und Handschellen“ und Falk von Schermbeck (Dirk Martens) in „SK Kölsch“. Ihre sexuelle Orientierung macht den Kern der jeweiligen Serie aus, auch wenn es Henning Baum stört, dass dies mehr wahrgenommen wird als die hohe Qualität der Produktion.
Die Erklärung dafür ist simpel: Der Plot, die Fälle sind nicht aufregender oder intelligenter als bei vergleichbaren Krimis. Aber die Figuren sind es. Die Person des schwulen Polizisten ermöglicht den Drehbuchschreibern, auf dem ausgelutschten Feld der Fernsehfiguren Charaktere zu zeigen und Dialoge zu formen, die noch nicht stereotyp geworden sind. So erschließt sich die menschliche Potenz des Leo Kraft dem Zuschauer vor allem im Zusammenspiel mit seiner Kollegin Nina (Elena Uhlig), die unter typischen Hetera-Kümmernissen leidend in Leo einen wunderbaren Frauenversteher findet. Bei SK Kölsch hingegen ist es vor allem das wortwitzreiche Zusammenspiel zwischen dem eitlen Falk und seinem Macho-Kollegen Jupp, das eine unterhaltsame Reibung ausmacht.
In Großstädten, so die Schätzung, liegt der Anteil der homosexuellen Polizisten und Polizistinnen weit über den bundesdurchschnittlichen 5 Prozent. „Ich weiß nicht, wie das in Bayern ist“, erläutert Eckhard Carrie, einer von zwölf Ansprechpartnern für Lesben und Schwule der Polizei Hamburg, aber für Städte wie Hamburg oder Köln sei der diskriminierungsfreie Berufsalltag, den beide Serien zeigen, „absolut realistisch“. Und während der Grimme-Preis-gekrönte Fernsehfilm „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ dokumentiert, dass es ausreicht, Frau zu sein, um bei der Polizei fertig gemacht zu werden, führt der offen schwul lebende Beamte Carrie den Generationswandel innerhalb der Polizei, an, der zu einer Veränderung des Umgangs mit homosexuellen KollegInnen geführt habe.
Schauspieler Henning Baum sieht den Kern für das konfliktfreie Polizistendasein eher in der Persönlichkeit des Leo Kraft: „Der ruht in sich und ist deshalb in seiner Homosexualität nicht angreifbar. Selbst wenn jemand witzelt, greift den das nicht an.“ Auch Dirk Martens geht davon aus, dass die Darstellung nah an der Realität liegt. Doch anders als bei Kraft ist die Ich-Stärke des Falk von Schermbeck weniger sockelfest: „Hin und wieder ist das auch ein produziertes Selbstbewusstsein“, so Martens. „Denn er weiß ja, dass er einer Minderheit angehört. Ich glaub schon, dass er versucht, sich ein dickes Fell anzulegen, um nicht immer klein zu werden.“
Während es bereits an den Tatbestand der Nötigung heranreicht, wenn die Drehbuchautoren dem Bullen von Bad Tölz eine Szene schreiben, in der er sich die Schuhe auszieht, bringt Henning Baum die geschickt verpackte Strategie hinter den Homo-Krimis auf den Punkt: „Man buhlt um die Zuschauer, indem man Leo als Sexualobjekt aufbaut. Es gibt immer wieder Szenen, wo er halb nackt durchs Bild rennt. Und solang man ihn allein zeigt, verschreckt man die heterosexuellen Männer nicht, man erfreut die Schwulen und vielleicht einige Frauen.“
Anders als Leo, der lediglich im Zusammenspiel mit seinem Freund als homosexuell wahrnehmbar ist, ist Falk deutlicher als Schwuler zu erkennen. Ein Konzept, das seine Zielgruppe findet: Denn wenn auch für echte Ermittler die in Fernsehkrimis dargestellte Polizeiarbeit „völlig unrealistisch“ ist, so ist Eckhard Carrie doch begeisterter Anhänger von „SK Kölsch“: „Das macht einfach Spaß zu gucken.“ Ein Punkt mehr, in dem Leo und Falk dem Bullen von Bad Tölz zeigen können, wo der Hammer hängt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen