Rosarote Kinderwünsche

Politik und Feelgoodkino: Bei der diesjährigen Ausgabe des Filmfests „Verzaubert“ laufen empfehlenswerte Spielfilme, in denen Vorzeige-Schwule dringend Vorzeige-Väter werden möchten

VON JAN KEDVES

Homosexuelle Paare dürfen in Deutschland weiterhin nicht gemeinsam Kinder adoptieren. Dabei hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im letzten Jahr entschieden, dass bei der Adoption von Kindern Eltern ihrer sexuellen Orientierung wegen nicht diskriminiert werden dürfen. In anderen Ländern Europas dürfen Homosexuelle längst Kinder adoptieren.

Hierzulande wird von Skeptikern so getan, als sei dies eine absurde Vorstellung. Dabei haben Schwule und Lesben natürlich schon immer Kinder großgezogen – nur fehlten früher die Identitätsmodelle. Homosexuelles Begehren wurde heimlich gelebt, Ehen waren Scheinehen. Die Nachkommen der Nichtheterosexuellen leben mitten unter uns – auch heute, in einer Zeit, in der es scheint, als erwartete die Gesellschaft für den Verzicht auf Verfolgung Homosexueller im Gegenzug von Homosexuellen den Verzicht auf die Weitergabe ihres perversen Genmaterials.

Das sonst nicht unbedingt für politische Filmauswahl bekannte „Verzaubert“-Festival hat in diesem Jahr neben den üblichen, für die schwul-lesbische Nische produzierten Feelgood-Movies, in denen auch mal ungarische Polizisten schwul sein und ballern dürfen, eine Reihe sehenswerter Filme im Programm, die sich genau diesem Thema – Homosexuelle mit Kinderwunsch – widmen.

Ganz besonders „Baby Love“ aus Frankreich und „Patrik Age 1.5“ aus Schweden: beides Produktionen aus dem letzten Jahr, beides bisweilen bittere Komödien. Während in Schweden – wo Göran und Sven, die Protagonisten von „Patrik Age 1.5“, ein Haus in einer fein geharkten Vorgarten-Suburbia bewohnen – die Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare seit 2003 legal ist, dürfen in Frankreich – wo Manu und Philippe, zwei Pariser Schwule, leben – nicht mal offen homosexuelle Singles Kinder adoptieren. Trotz der unterschiedlichen Rahmenbedingungen weisen „Baby Love“ und „Patrik Age 1.5“ starke Parallelen auf: In beiden Filmen sind es wohlsituierte, geschmackvoll eingerichtete, verständnis- und liebevoll miteinander umgehende Vorzeige-Schwule um die Ende dreißig, Anfang vierzig, die der Kinderwunsch treibt (d. h., die Herren stecken in der Midlife-Crisis). Und in beiden Filmen ist derjenige, der sich das Kind – und man sollte wohl sagen: einen Sinn im Leben – ein bisschen dringender wünscht als sein Partner, von Beruf Arzt (d. h. Menschenfreund). Was sollte also schiefgehen?

In „Baby Love“ (Regie: Vincent Garenq) will Manu eigentlich zunächst ein Kind adoptieren. Sein Partner Philippe ist von dem Gedanken, Vater zu werden, aber nicht angetan und zieht deswegen („Kind oder ich!“) aus. Für den Besuch des Sozialamts hätte er die gemeinsame Wohnung ohnehin räumen müssen. Nachdem die Sozialarbeiterin Manu dennoch als Schwulen enttarnt und einer Adoption nicht zustimmt („Adoptivkinder sind schon traumatisiert genug“), wechselt er die Strategie: Er will selbst ein Kind zeugen. Eine geeignete Gebärmutter findet sich schnell, in Person der illegal in Frankreich lebenden Argentinierin Fina. Manu bietet ihr folgenden Deal an: Er heiratet sie, besorgt ihr so eine Aufenthaltsgenehmigung, dafür trägt sie sein Kind aus. Erst kippt Fina ihm Rotwein ins Gesicht, dann verliebt sie sich in ihn – und willigt ein. Wenn es denn aber so einfach wäre: Bei einem Labortest kommt heraus, dass Manu unfruchtbar ist. Es vergehen auf diese Weise fast neunzig unterhaltsame, bisweilen tragikomische Minuten, bis mit Hilfe einer Samenspende von Philippe am Ende doch noch ein Baby zur Welt kommt – und die Gefühlslage von Fina, der Mutter, zugunsten des schwulen Elternglücks unelegant ausgeblendet wird.

In „Patrik Age 1.5“ (Regie: Ella Lemhagen) gibt es bereits ein leibliches Kind: Sven hat eine 15-jährige Tochter, die bei seiner Exfrau lebt. Svens Mann Göran will aber auch ein Kind. Ein Interpunktions-Irrtum auf dem Bewilligungsschreiben des Sozialamts macht aus dem versprochenen „Patrik 1.5“ dann allerdings einen „Patrik 15“ – und so haben Göran und Sven statt einem zahnenden Racker plötzlich einen schwulenfeindlichen Halbstarken in ihrem frisch ausgepackten Ikea-Babyparadies sitzen. Hätten sie sich doch lieber einen Hund angeschafft! Wie es sich für eine ordentliche Schwulenkomödie mit Kitschpassagen gehört, zeichnet sich recht bald eine Traumlösung ab. Dezente Hinweise darauf, dass die Nachbarskinder aus den „normalen“ Familien einen viel größeren Dachschaden haben, als ihn ein bei Sven und Göran lebendes Kind jemals bekommen könnte, dürfen nicht fehlen.

Beide Filme sind natürlich durch die rosarote Linse gefilmt, man könnte sie auch propagandistisch nennen. Ihr Fazit: Schwule, die so viele Widrigkeiten auf sich nehmen, um an ein Kind zu kommen – Bürokratie, Beziehungskrisen, Streit mit der Familie –, sind nachher garantiert Supereltern. Man könnte „Baby Love“ und „Patrik Age 1.5“ dafür schelten, dass sie Rollen verteilen: Welcher Schwule hier eher der Vater ist und welcher eher die Mutter, ist immer klar. Ihre konventionelle Machart mag auch einfallslos erscheinen – oder strategisch gewählt. Doch die gute Nachricht ist: Hetero-Hardlinern, die Andersveranlagten keine Kinder gönnen und Waisen lieber im Heim sehen, kann man den Besuch des „Verzaubert“-Festivals wärmstens empfehlen.