Giftschlamm lässt Stausee strahlen

Eine spanische Chemiefirma hat 300.000 Tonnenhoch belasteten Abfall in einen See am Ebro gekippt

MADRID taz ■ Besser spät als nie, sagte sich wohl der Umweltminister der katalanischen Autonomieregierung, Salvador Milà. Nachdem die Ergebnisse einer seit Monaten unter Verschluss gehaltenen Umweltstudie des staatlichen Forschungszentrums CSIC an die Presse durchgesickert waren, kündigte er eine Anzeige gegen das Unternehmen Ecros und die örtlichen Verwaltungsbehörden an.

Das Chemiewerk hat in den vergangenen 30 Jahren rund 300.000 Tonnen hochgiftiger Schlämme in den Stausee nahe der Ortschaft Flix in der Provinz Tarragona eingeleitet. Auf dem Grund haben sich zwischen 10 und 18 Tonnen Quecksilber sowie 60 bis 70 Tonnen weitere Schwermetalle gehalten. Selbst Uran wurde festgestellt. Der Untersuchung zufolge übersteigen die Strahlenwerte der Schlämme 12.000 Becquerel pro Kilogramm. Nach dem gültigen Atomgesetz müsste der Stausee deshalb als atomare Einrichtung gemeldet werden.

Die phosphat- und schwermetallhaltigen Schlämme stammen aus der Herstellung von Düngemitteln. Der Stausee von Flix liegt am größten spanischen Fluss, dem Ebro, dessen Mündungsdelta ein Naturschutzpark ist. Der Fluss versorgt weite Teile mit Wasser für Haushalte und Landwirtschaft. Die örtlichen Behörden wussten über die Krebs erregenden Abwässer Bescheid, ohne etwas zu Unternehmen. „Die Verantwortung für das Geschehen liegt beim Unternehmen und der Verwaltung vor Ort“, erklärt der Umweltminister der Autonomieregierung.

Doch über die Untätigkeit seiner Behörde kann Milàs Anzeige nicht hinwegtäuschen. Die katalanische Autonomieregierung war spätestens seit 1996 informiert. Jetzt beginnt der Streit um die notwendigen Maßnahmen. Die Behörden beharren darauf, dass von den Schlämmen keine Gefahr ausgehe. Sie seien sedimentiert. Das Trinkwasser sei nicht vergiftet worden.

Die Umweltschützer jedoch befürchten, dass im Falle einer Überschwemmung Gift freigesetzt werden kann. Sie fordern eine Trockenlegung des Stausees und das Abtragen der Schlämme, was über 100 Millionen Euro kosten könnte. „Ecros macht seit 100 Jahren auf Kosten der Umwelt Gewinne. Jetzt muss das Unternehmen die Kosten für die Reinigung übernehmen“, verlangt Greenpeace Spanien. Die Umweltschutzorganisation beschuldigt auch die Zentralregierung der Untätigkeit: „Die Studie liegt dem dortigen Ministerium spätestens seit vergangenem Januar vor.“ REINER WANDLER