Zyperns Schulbücher sind rassistisch

Nationalisten und Klerus wehren sich heftig gegen eine geplante Schulbuchreform in der griechischen Republik Zypern

NIKOSIA taz ■ Muslime „sind blind in ihrem religiösen Fanatismus, sie stoßen wie der Blitz gegen ihre Nachbarländer vor“. Araber „folgen ihren Schafherden und Kamelen auf der Suche nach Essbarem. Sie lebten als Nomaden. So leben die meisten von ihnen noch heute.“

Weisheiten wie diese sind es, die noch heute den Geschichtsunterricht im griechischen Teil Zyperns prägen. Über Jahrzehnte hat sich am Unterricht kaum etwas verändert, klagen Wissenschaftler in Nikosia. Die türkischen Zyprioten kommen im Unterricht entweder als Feinde vor – oder sie werden gleich ganz ignoriert: „Zyprioten sind und waren immer Griechisch-Orthodoxe“, behauptet etwa dreist das Schulbuch „Geschichte von Zypern“. Es stammt von 1991.

Während die Präsidenten von Süd- und Nordzypern seit Monaten um eine Lösung des jahrzehntealten Konflikts ringen und gegenseitiges Verständnis und Toleranz propagieren, lernen die griechischen Kinder immer noch Nationalismus der plumpesten Art. Doch das soll sich jetzt ändern. Erziehungsminister Andreas Dimitriou gibt unumwunden zu: „Das Erziehungssystem ist veraltet. Die Methoden sind ausgesprochen traditionell.“ Doch dem Minister bläst der Wind ins Gesicht.

Seit er im September die „friedliche Koexistenz, gegenseitigen Respekt und Kooperation zwischen griechischen und türkischen Zyprioten“ anmahnte, machen Nationalisten und der orthodoxe Klerus mobil. „Warnungen vor einer „Selbstkastration des Hellenismus“ gehen um. Erzbischof Chrysostomos II. kann nichts Schlimmes an der veralteten Schulbildung finden: „Auch wir waren einmal Schüler und lernten Geschichte“, sagte er.: „Heißt es jetzt etwa, dass diese Geschichte gefälscht war?“

„Tod den Türken“

„Zypern ist griechisch“, „Tod den Türken“: Solche Parolen waren kürzlich wieder in der Altstadt Nikosias zu hören – von adrett gekleideten Oberstufenschülern.

„Die Nationalisten behaupten, wir wollten die Geschichte verfälschen. Sie sagen, wir verbreiteten Lügen. Sie sagen, dass wir die Schuld am Zypernkonflikt einseitig den Griechen zuschieben wollten.“ Georgios Loukaides von der regierenden linken Akel-Partei weiß, dass die Mühlen der zypriotischen Politik nur langsam mahlen. Ein Komitee wurde eingesetzt, um den Geschichtsunterricht zu überprüfen. Mit einem schnellen Ergebnis ist nicht zu rechnen. Konservative Lehrerverbände und Parteien wollen gehört werden.

Das größte Problem“, sagt Loukaides der taz, „ist nicht, was gesagt wird, sondern, was nicht gesagt wird.“ Verbrechen griechischer Zyprioten an ihren zyperntürkischen Nachbarn kommen im Unterricht nicht vor. So wachsen die Kinder in einem Weltbild auf, in dem die eigene Seite die ausschließlich „gute“, die andere aber die abgrundtief „böse“ ist. Vom Massaker in dem Dorf Tohni etwa, wo griechische Nationalisten 1974 Dutzende zyperntürkische Zivilisten bestialisch ermordeten, lernte Loukaides in der Schule nichts. Bis heute erinnert kein Denkmal an das Verbrechen. Erst in der Jugendorganisation der Akel erfuhr der heute 40-jährige Loukaides davon. „Die Schulbücher kultivieren den Chauvinismus“, sagt er. Manche Eltern wissen sich nicht besser zu helfen, als ihre Kinder auf Privatschulen zu schicken.

Gemeinsame Demo

„Die Reform kommt“, verspricht Erziehungsminister Dimitriou. Präsident Christophias unterstützt ihn. Er machte jüngst deutlich, dass an einer Reform kein Weg vorbeiführt, egal wer und wie viele Gegner dagegen mobilmachten. Anfang März demonstrierten griechische und türkische Lehrer gemeinsam ihre Unterstützung für die Entrümpelung der Schulbücher.

Im zyperntürkischen Norden sind die Unterrichtsmaterialien schon vor vier Jahren weitgehend ausgetauscht worden. Dort werden die griechischen Zyprioten nun als Partner dargestellt. Im Süden sorgte Präsident Dimitris Christofias für einen Sturm der Entrüstung unter den Nationalisten, als er die zyperntürkischen Landsleute um Verzeihung für die Verbrechen bat, die Zyperngriechen begingen.

„Mit Erziehung allein kann man das Zypernproblem nicht lösen“, sagt Dimitriou der taz. „Aber wenn wir einen gemeinsamen föderalen Staat gründen, dann muss es im Erziehungssektor eine Kooperation zwischen beiden Gruppen geben.“

Selbst an Privatschulen blüht bisweilen der Chauvinismus. Als Politiker beider Seiten Ende November die English School besuchten, bekamen sie von einigen zyperntürkischen Schülern zu hören, auch dort gebe es Rassismus und Diskriminierung. Ihre zyperngriechischen Kameraden interessierte das wenig.

Sie beklagten sich, dass an ihrer Schule zum Unabhängigkeitstag nicht die griechische Nationalhymne gespielt wird.

KLAUS HILLENBRAND