Trost für die Seele

Lieben lernen: Ron Sexsmith, unser Mann in Toronto, singt für alle einsamen, traurigen Autofahrer

Dass es das noch gibt: Diese Platten, die du tagelang, wochenlang hörst, die im CD-Player oder unter der Nadel jammern und um Erlösung flehen: Bitte nicht noch mal! Aber du kannst nicht anders: Noch einmal. Noch einmal. Und noch einmal.

Das ist bei jeder Ron-Sexsmith-Platte so. Die kann man morgens hören, zum Kaffee – oder abends zum Rotwein. Die gehen bei Wolkenbruch genauso wie an Hundstagen. Das sind universell einsetzbare Seelentröster, balsamische Refresher für jedes Alltagszipperlein.

Sexsmith stammt aus Kanada – und ist seit seinem Album Cobblestone Runaway auch in Deutschland bekannt. Vor allem bei Freunden der eher klassischen Singer/Songwriter-Kunst, die sich gerne im Bittersüßen einigeln und doch Sexsmith‘ Drang zum großen Popsong schätzen. Das ist zum Beispiel was für Lambchop-Fans: Da perlt nicht nur die Akustikgitarre, da jubeln Streicher, da sickert literweise süßer Soul-Honig aus dem Keyboard.

Auf seinem neuen Album Retriever hat sich Sexsmith nun selbst übertroffen: „Hard Bargain“, „Imaginary Friends“, „Not About To Lose“, „Tomorrow In Her Eyes“, „From Now On“, ein Jahrhundertstück nach dem anderen – und dann, brüchig, karg instrumentiert und doch mächtig: das wunderbare „For The Driver“. Gesungen für alle Einsamen, Traurigen auf dieser Welt, vor allem für die einsamen, traurigen Autofahrer. „Ich höre sein Album schon ein ganzes Jahr lang, aber es könnten problemlos auch die nächsten 20 sein“, sagt Elvis Costello über das Vorgängeralbum. Hätten so vielleicht die Beatles geklungen, wenn sie Soulbrüder gewesen wären?

Jede Geschichte hat zwei Seiten, wie auch jede Münze. „Ich habe Mitgefühl für denjenigen, der sich versteckt und für denjenigen, der ihn verfolgt“, singt der 1964 in Toronto geborene Sexsmith. Mitgefühl ist zu wenig: Es wird Zeit, diesen Mann lieben zu lernen. Marc Peschke

19.9., 20 Uhr, Knust