Lizenz vor Insolvenz

Trotz eines Insolvenzantrages bekam der HSV Hamburg die Lizenz für die neue Handballsaison. Ein Vorgang voller Merk-Würdigkeiten

„... es vermasselt, das Fax dem Vorstand rechtzeitig zur Kenntnis zu geben“

Von Erik Eggers
und Oke Göttlich

Dass der schnelle Erfolg des HSV Handball auf Sand gebaut sein könnte, ist vielerorts bekannt. Doch nun verdichten sich die Indizien, dass die Lizenz des Vereins für die gerade begonnene Saison auf einem eher fragwürdigen Fundament steht. „Erhebliche Zweifel“ hat der Manager des Branchenprimus THW Kiel, Uwe Schwenker, „dass hier sauber gearbeitet wurde“. Denn als die Handball-Bundesliga (HBL) im Mai die Lizenzen vergab, lag gegen den HSV ein Insolvenzantrag vor. Einer der Liga-Verantwortlichen, die den Hamburger Handballern damals die Spielerlaubnis erteilten, hat jetzt einen neuen Job: Der vormalige Liga-Chef Heinz Jacobsen ließ sich im August zum Präsidenten wählen – beim HSV Hamburg.

Der Insolvenzantrag war vom Kölner Rechtsanwalt Hans-Helmut Schäfer gestellt worden, Sozius des früheren Weltklasse-Torhüters Andreas „der Hexer“ Thiel. Schäfer vertritt drei ehemalige Spieler des Vereins (Möller, Möldestad, Muffetangen) und hatte bereits zahllose Pfändungsbeschlüsse und Zahlungsverbote gegen den wirtschaftlichen Träger des HSV, die Omni Sport GmbH, erwirkt. Diese Titel aber waren laut Thiel „mehrfach erfolglos vollstreckt worden“.

Daher stellte man Insolvenzantrag – und gab dies am Freitag, dem 21. Mai, auch der Dortmunder HBL-Geschäftsstelle per Fax zur Kenntnis. Ganze vier Tage später, am Dienstag, dem 25. Mai, traf sich der HBL-Vorstand und vergab die Lizenzen für die Saison 2004/05 – doch in dieser Sitzung des achtköpfigen Vorstandes kam, so HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann und der damalige HBL-Chef Heinz Jacobsen, der vorliegende Insolvenzantrag nicht zur Sprache. „Davon habe ich erst am Mittwoch erfahren“, also am Tag nach der Lizenz-Sitzung, versichert Jacobsen heute wie alle anderen Teilnehmer. Geschäftsführer Bohmann müsse das aufklären.

Der räumt ein, er habe „es vermasselt, das Fax dem Vorstand rechtzeitig zur Kenntnis zu geben, obwohl es bei uns eingegangen war“. Er habe es am Montag vor der entscheidenden Sitzung unter all den eingegangenen Papieren nicht ausfindig gemacht. Bohmann aber findet das Fax im Rückblick ohnehin nicht so wichtig: „Das war aus meiner Sicht haltlos“, sagt er, denn „das Fax war nicht unterzeichnet und lag nicht beim Amtsgericht vor.“ Das habe er am Freitag, dem 28. Mai (drei Tage nach der Lizenz-Sitzung), beim zuständigen Amtsgericht in Hamburg überprüft. „Ein solcher Antrag hat dort nicht vorgelegen“, bekräftigt Jacobsen. Die beiden Aktenzeichen des Vorgangs lassen sich aber rekonstruieren, sie lauten: 67e IN 154/04 und 67e IN 158/04. Nicht nur aus diesem Grund entsteht der Eindruck, dass Bohmann und Jacobsen den ganzen Vorgang gar nicht so gern aufklären wollten.

HBL-Vorstand Manfred Werner sagt, wenn der Antrag vorgelegen hätte, wären „ganz andere Reaktionen erfolgt“ – vom „Punktabzug bis hin zur Verweigerung der Lizenz“. Thorsten Storm, Geschäftsführer des Handballmeisters SG Flensburg-Handewitt, wünscht sich angesichts solcher Vorkommnisse in der Liga endlich professionellere Strukturen. Er hat den Eindruck, „dass die Arme manchmal schneller wachsen als der Kopf“.

Dafür spricht auch, dass der Insolvenzantrag am Mittwoch, 25. Mai, zurückgezogen wurde, nachdem ein Hamburger Unterhändler Zahlungen avisiert hatte – doch habe der HSV „die Vereinbarungen trotzdem nicht eingehalten“, wie Thiel erklärt. Dennoch erhielt der Verein die Lizenz am 25. Juni, obwohl nicht alle ausstehenden Gehälter gegenüber Ex-Profis und Ex-Trainern beglichen worden waren.

Kein Wunder auch, dass es fast allen seriösen Adressen des deutschen Liga-Handballs merk-würdig vorkam, als Jacobsen zum HSV-Präsidenten avancierte und damit zu Spekulationen über das Lizenzierungsverfahren Anlass gab. „Wie Jacobsen sich verhalten hat, ist unmöglich“, findet Fynn Holpert, der Manager des TBV Lemgo, „das ist mit einem Makel behaftet.“