Der Charme der Utopie

Porto Alegre als Vorbild? Heute diskutieren Attac, PDS und andere Initiativen darüber, ob der Bremer Haushalt sich nicht demokratischer verteilen ließe, als es derzeit geschieht

Bremen taz ■ Um Utopien und ihre Machbarkeit, und das in Bremen, geht es der Initiative von Attac, Mehr Demokratie, der Rosa-Luxemburg-Initiative und der PDS: Ihr Vorbild ist die Weltsozialforum-Stadt Porto Alegre und ihr Modell für einen so genannten Beteiligungshaushalt (siehe Kasten), bei dem das gemeine Volk über die Verteilung der Staatsknete bestimmt. Wie das in Bremen gehen soll und warum überhaupt, darüber spricht Klaus-Rainer Rupp (Foto), PDS-Landeschef und Attac-Mitglied.

taz: Wozu braucht Bremen einen Beteiligungshaushalt?Klaus-Rainer Rupp: Das ist ein funktionierendes Modell von Partizipation. Wir finden, dass das eine Idee ist, die man in Bremen kennenlernen sollte – weil die Verhältnisse hier nach mehr Demokratie geradezu schreien. Wenn es hier demokratischer zugehen würde, hätte ein ganzer Haufen Fehlinvestitionen vermieden werden können.

In Porto Alegre ging es um so Grundlegendes wie Wasseranschlüsse für jeden Haushalt – die Stufe ist in Bremen glücklicherweise längst überwunden. Inwiefern also ist ein Beteiligungshaushalt übertragbar?Natürlich nicht eins zu eins. Aber in Porto Alegre wie in Bremen wurden oder werden investive Mittel für Dinge ausgegeben, die die Stadt nicht braucht. In Porto Allegre haben sich die reichen Stadtteile bedient, in Bremen werden Einkaufszentren oder Gewerbegebiete finanziert, aber woran es tatsächlich fehlt, ist an der Ausstattung von Schulen und Kindergärten. Wenn die soziale Kompetenz in den Stadtteilen gestärkt wird, hat das langfristig positivere Auswirkungen als das, was hier in den vergangenen zehn Jahren gemacht wurde.

Initiativen zu mehr Mitbestimmung waren hier wenig erfolgreich, siehe das neue Beiratsgesetz. Wo also soll die Kraft für ein Mehr an Beteiligung herkommen?Die Beiratsstrukturen könnten Keimzelle von Beteiligungsprozessen sein – sie verfügen ja auch über Geld. So könnte man darüber nachdenken, ob es nicht ein Anfang wäre, einen Beiratstopf höher zu dotieren und darüber einen gemeinsamen Prozess einzuleiten. Aber für Konkretes ist es noch zu früh. Erstmal müssen wir ein Modell entwickeln wie’s gehen könnte.

Mehr Lebensqualität und mehr Demokratie fordern die Grünen und Teile der SPD längst. Warum suchen Sie sich hier keine starken Partner für Ihr Vorhaben?Die Grünen sind sehr lange in der Opposition – ich wüsste nicht, dass die eine Initiative für Beteiligungsprozesse gestartet haben. Nichts hindert Grüne und SPD daran, unsere Idee aufzugreifen. Aber es braucht außerparlamentarischen Druck: den einer sozialen Bewegung.

Sie machen es sich leicht, ignorieren alles, was an Ansätzen schon da ist.Das tun wir nicht. Aber die Skepsis uns gegenüber ist groß. Es ist ja nicht so, dass wir eine Idee haben und alle uns dazu beglückwünschen und mitmachen. Wir müssen überzeugen.

Mit der Idee von Porto Alegre ist die PDS in den Bremer Wahlkampf gezogen – erfolglos. Was soll jetzt anders sein?Die Idee des Beteiligungshaushaltes ist erstmal keine Sache einer Partei. Aber irgendjemand muss die Idee ja entwickeln. Und was das Wahlergebnis der PDS angeht: Die Lehre, die ich daraus gezogen haben, ist, dass man den Glauben, es gebe keine Alternative zum Bestehenden, knacken muss. Das macht ja gerade den Charme von Porto Alegre aus: die Idee einer besseren Welt kann Realität werden.

Interview: Susanne Gieffers