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: HEIKO DILK über Badekappen-Moralisten, schlaue Zuschauer und den Hirsch der „Tagesthemen“

Abwarten und Tee trinken

Ulrich Wickert ist ein Schöngeist, ein Rotweintrinker und Filou. Außerdem ist er Moralapostel und schrieb das Buch, „Der Ehrliche ist der Dumme“. Und Belletristikautor ist er. „Ein Richter aus Paris“ heißt sein Roman. Vor einiger Zeit outete er sich als ehemaliger Haschtee-Trinker aus Versehen, bei „Zimmer frei“ war er sich nicht zu schade, eine alberne Badekappe überzuziehen.

Und was ist eigentlich bei den „Tagesthemen“ los?

Zunächst muss man mal klären, wie die Berliner Zeitung am Dienstag zu der Ehre kam, von Bild als „renommierte Berliner Zeitung“ bezeichnet zu werden und als einziger Beleg dafür herhalten musste, dass es eine „Tagesthemen“-Krise gebe, dafür, dass die „Kritik von außen immer lauter“ werde.

Man kann über Bild viel Böses sagen – und muss das von Zeit zu Zeit. Dass man dort nicht wüsste, was den Leser abends beim Bier vorm Fernseher oder morgens beim Frühstückskaffee bewegt, gehört nicht dazu. Erstens.

Zweitens kommt bei Bild aber offenbar niemand dazu, die „Tagesthemen“ zu gucken. So erklärt sich, dass der Autor des „Was ist bloß bei den ‚Tagesthemen‘ los“-Artikels behaupten konnte, Wickert sage am Ende der Sendung „gute Nacht“ statt „geruhsame Nacht“. Also musste Bild sich mal auf die Berliner verlassen, die schrieb, dass bei den „Tagesthemen“ bezüglich Themenauswahl und -gewichtung so einiges im Argen liegt. Und sie schrieb, dass die Sendung ihr Renommee durch PR-Filme im Interesse der ARD aufs Spiel setze.

Deshalb – und weil immer mehr Zuschauer das „heute journal“ im ZDF als prima Alternative entdecken (was zumindest in der Presse überwiegend Claus Kleber als Verdienst zugeschrieben wird) – deshalb also sinken die Quoten der „Tagesthemen“ stetig, wenn auch langsam.

Kompliment an die Zuschauer! Haschtee, Badekappen, Rotweingesüffel, Schnulzromane und moralinsaure Schriften konnten Uli Wickert und den „Tagesthemen“ nicht viel anhaben. Das war privat. Wenn er aber während der „Tagesthemen“ wirkt, als würde er noch immer zweifelhafte Heißgetränke konsumieren und über Heinz den „brünftigen Internet-Hirschen“ berichtet wird, dann finden die Zuschauer das nicht so gut.

Aber Uli bereitet sich vermutlich eh schon auf seine Biografie vor. Bei Frank Schirrmacher, dem FAZ-Herausgeber, hat er sich Donnerstagabend schon mal erkundigt, ob diese ganzen Biografien nicht nur Klatsch und Tratsch seien, von Bohlen über die Clintons bis zu Muhammad Ali. Wo? In den „Tagesthemen“ selbstredend. Gleich zu Anfang.