Böger schreibt sich Einser-Zeugnis

Mehr Unterricht, Abi in zwölf Jahren: Mit seiner Schulreform glaubt der Bildungssenator der OECD-Kritik voraus zu sein. Bildungsexperten von GEW und Grünen sehen das anders

Die OECD-Kritik am deutschen Bildungswesen hat den für Berlin Zuständigen nicht sonderlich erschüttert: Bildungssenator Klaus Böger (SPD) sieht sich durch die neuerlichen Auswertungen eher bestärkt. Die Studie sei „Rückenwind für den Berliner Weg“, sagt Böger und verweist stolz auf eine Liste „richtiger Weichenstellungen“ seit Pisa.

In Bögers Erfolgsliste ganz oben steht das hauptstädtische Angebot an Kindergartenplätzen. Das fällt im Vergleich zu anderen Bundesländern tatsächlich recht gut aus. Über 90 Prozent aller Kinder zwischen drei und sechseinhalb Jahren haben einen Kita-Platz, fast die Hälfte der Kleinkinder im Alter zwischen einem halben und drei Jahren hat einen Krippenplatz. Eine Schattenseite dieser Zahlen: Seit Anfang des Jahres zahlen Eltern höhere Kita-Gebühren. Als weitere Lehre aus Pisa will Böger das auf zwölf Jahre verkürzte Abitur für SchülerInnen, die jetzt in die 5. Klasse kommen, verstanden wissen. Die Verkürzung führt dazu, dass künftig ab der 5. Klasse mehr Unterricht erteilt wird. Um die Bildungslücken der SchülerInnen zu schließen, wird die Maßnahme allein aber schwerlich ausreichen – dafür haben die Berliner bei Pisa zu schlecht abgeschnitten.

Das hiesige Lernumfeld lässt allerdings oft zu wünschen übrig: Die „sachliche und räumliche Ausstattung“ an den meisten Schulen und Kindergärten sei „nicht ideal“, sondern verschlechtere sich weiter, sagt Sigrid Baumgardt, Pressesprecherin vom Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wirtschaft (GEW). Damit nicht genug: Bestimmte Erkenntnisse der OECD hätten die schulpolitischen Verantwortlichen „bis heute nicht angenommen“. Baumgardt meint den „sozialen Selektionsmechanismus“, den Pisa-Experten bereits vor drei Jahren anmahnten: Sozial benachteiligte Kinder – insbesondere Migrantenkinder – landen überdurchschnittlich oft auf Hauptschulen.

Dies kritisiert auch Özcan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Grünen, der Deutschlands dreigliedriges Schulsystem komplett in Frage stellt. „Grundlegende Reformen“ müssten her, so seine Forderung. Davon will Bildungssenator Böger aber nichts hören. Seine Empfehlung: Alle Kräfte darauf konzentrieren, die Qualität des Unterrichts zu verbessern – und bloß keine Grundsatzdebatte.

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