Wenig Tiefgang

Klischeehafte Message: Tuvia Tenenboms „Die letzte Jungfrau“ an den Kammerspielen überzeugt nicht

Es ist ein Stück über den palästinensisch-isrealischen Konflikt und spielt in einem irischen Pub auf dem Tempelberg. Erstaunlich? Nicht für Autor und Regisseur Tuvia Tenenbom. In seinem Stück Die letzte Jungfrau, das jetzt – nach mehrfachen Umbesetzungen und nachfolgendem juristischem Gerangel mit dem Kölner Artheater um den Titel „Europäische Erstaufführung“ – in den Hamburger Kammerspielen Premiere hatte, reduziert er das Phänomen der Selbstmordanschläge auf sexuelle Begierden. So hagelt es Männerphantasien über das Paradies; politische Zustände spielen nur als Schlagworte eine Rolle.

„Absurdes Theater“ prophezeite Tenenbom den Zuschauern vor Beginn der Hamburger Premiere. Das Versprechen hat er gehalten. Auf der Bühne mimt Mehmet Kurtulus die Karikatur eines Arabers, Wasserpfeife inklusive. Im Gespräch mit dem Wirt (Konstantin Graudus) handelt er mal eben das politische Geschehen ab. Entlarvt Yassir Arafat und den Hamas-Führer Scheich Yassin als CIA-Agenten. Der Chef des palästinensischen Geheimdienstes (Matthias Deutelmoser) komplettiert die Thekenmannschaft. Er ist auf der Suche nach einer Märtyrerin, die aussieht wie aus Baywatch. Womit das Lieblingsthema der drei angeschnitten wäre: 70 Jungfrauen, die im Himmel auf jeden Gotteskrieger warten. Furcht verbreiten nur amerikanische Smart-Bombs, die auf das eigene Gemächt gezielt sein könnten.

Doch gerade als sich das Bühnengeschehen vor Hektik zu überschlagen droht, überrascht das Stück mit der entscheidenden Wendung: Die Araber sind eigentlich israelische Agenten, die ihre Klischees vom Araber verbreiten. Dieses Spiel mit den Identitäten treibt Tenenbom weiter, bis irgendwann egal ist, wer wer ist. These des Autors: Es geht beiden Seiten nur noch ums Töten. Das Stück basiere auf Interviews mit einfachen Leuten in Israel und Jordanien, erklärt der Gründer des Jewish Theater of New York.

In Hamburg trägt weder die Botschaft noch die Komik länger als eine halbe Stunde. Da können sich die Darsteller noch so mühen. Neshe Demir als arabische Jungfrau mit grüner „St. Patricks Day“-Perücke wird zum Spielball der drei Männer. Bis auch sie 70 Kerle als Belohnung fordert und sich den Sprengstoffgürtel umbindet. Über die Emanzipation islamischer Frauen müsste eigentlich mehr zu sagen sein – in Zeiten, in denen eine iranische Anwältin den Friedensnobelpreis bekommt. Auch der Ansatz, dass die religiöse Ideologie allein den Menschen zu Selbstmordattentaten treibt, greift zu kurz. Damit lässt sich eine unterhaltsame Kabarettnummer machen aber kein spannender Theaterabend. CHRISTIAN RUBINSTEIN

nächste Vorstellungen: 12.–15.11., 20 Uhr, Kammerspiele