Hausbesetzer vor Gericht

3.000 Euro Geldbuße insgesamt, alle Verfahren eingestellt: So endete nach zwei Jahren die strafrechtliche Auseinandersetzung um die bislang letzte Hausbesetzung Bremens

Die Polizei habe ihm „nahegelegt“, Strafantrag zu stellen, sagt der Hausbesitzer

Bremen taz ■ Die Aktion war eher symbolisch gemeint. Eine gute Stunde lang harrten am Morgen des 12. Oktober 2002 ein Dutzend HausbesetzerInnen in der Kornstraße 155 aus – „um die nach wie vor bestehende Forderung nach einem selbstverwalteten Kulturzentrum aufrecht zu erhalten“. Dann rückte die Polizei an, brach die Tür auf, die Besetzer verließen das seit Monaten leerstehende Wohnhaus. „Da ist rein gar nichts passiert“, beteuert Rechtsanwalt Martin Stucke.

Trotzdem mussten sich gestern elf der 13 HausbesetzerInnen vor dem Bremer Amtsgericht verantworten. Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung warf die Staatsanwaltschaft ihnen vor, der Hausbesitzer hatte Strafantrag gestellt. Das Ergebnis: Alle Verfahren wurden gegen Zahlung von Geldbußen eingestellt, insgesamt rund 3.000 Euro. Die strafrechtliche Aufarbeitung der letzten Hausbesetzungen Bremens ist damit im Prinzip abgeschlossen. Lediglich gegen einige Besetzer der Parkallee 5 sind noch Verfahren offen.

Die Besetzung in der Kornstraße Mitte Oktober 2002 war das Ende eines turbulenten Hausbesetzungs-Wochenendes, das dem damaligen CDU-Innensenator Kuno Böse Paroli bieten sollte. Der hatte nach der Räumung der Parkallee-Villa öffentlich verkündet, er werde „auch künftig dafür sorgen, dass sich eine Hausbesetzerszene in Bremen nicht etablieren kann“. Am Abend des 11. Oktober 2002 zog eine Gruppe von Besetzern in das Güldenhaus in der Neustadt ein. Nach der Räumung durch die Polizei am nächsten Morgen besetzte ein Teil dieser Gruppe für ein Stündchen die Kornstraße 155 – ein ehemaliger Puff.

Die Polizei, offenbar auf politisches Geheiß, wartete eine Reaktion des Hausbesitzers erst gar nicht ab. Sie räumte, ohne vorher zu fragen – und setzte den Besitzer tags darauf darüber in Kenntnis. Drei Tage später, berichtet der, habe er erneut die Polizei am Telefon gehabt. Man habe aus Versehen nicht nur mitgebrachtes Werkzeug der Hausbesetzer, sondern auch herumliegende Renovierungsutensilien von ihm beschlagnahmt, hieß es. Diese möge er bitte abholen.

Die Namen und Adressen der Besetzer, nach denen der Mann fragte – er wollte sich von ihnen die kaputte Tür ersetzen lassen – rückte die Polizei indes nicht heraus: „Datenschutz“. Stattdessen habe man ihm „nahegelegt“, einen Strafantrag zu stellen – Voraussetzung für eine strafrechtliche Verfolgung der BesetzerInnen. Der Hausbesitzer unterzeichnete, auf die Adressen wartet er noch heute. An einer Verurteilung der Eindringlinge, sagte er gestern der taz, habe er nie ein Interesse gehabt. Ihm sei es allein um Schadensersatz für die kaputte Tür gegangen.

Polizei und Staatsanwaltschaft dagegen, sagt Anwalt Stucke, sei es allein darum gegangen, eine Rechtfertigung für ihren Einsatz und eine Handhabe gegen die Besetzer zu bekommen. Im Falle der Güldenhaus-Besetzung war letzteres fehlgeschlagen: Der Besitzer stellte keinen Strafantrag, daraufhin wurden alle Verfahren ohne Auflagen eingestellt.

Niemand solle glauben, „dass wenn es nächstes Mal eine Hausbesetzung gibt, das alles eingestellt wird“, betonte Staatsanwalt Stefan Wachsmuth gestern im Gericht. Eine Einstellung der Verfahren gegen Zahlung der zunächst verhängten Bußgelder – darauf hatte sich die Ermittlungsbehörde mit dem Verteidiger bereits geeinigt – komme nicht in Frage. Die Bußgelder müssten alle steigen, drei der Angeklagten, die bereits die Parkallee mit besetzt hätten, seien nochmals stärker zu bestrafende „Wiederholungstäter“. Stucke interpretierte: „Wenn man ein selbstverwaltetes Kulturzentrum fordert, ist das schlimm. Fordert man es zwei Tage lang, ist das noch schlimmer.“ sim