nebensachen aus johannesburg
: Schwarz-weiße Gewaltfantasien

Schranken gegen die Angst vorm schwarzen Mann

In Johannesburgs nördlichen Villenvierteln geht die Angst vorm schwarzen Mann um. Vor wenigen Jahren versuchten die weißen Bewohner sich der potenziellen Gefahr gleich vor ihrem Haus zu entledigen: Schlagbäume versperrten die Straßen der reichen Viertel und gaben ihren Bewohnern das Gefühl, im neuen Südafrika sicherer zu sein. Das Land öffnete sich, die Weißen verschlossen sich. Schwarze Wächter sitzen Tag und Nacht hinter rot-weißen Schranken. Sie sperren 1.127 Straßen im Norden einer Stadt ab, die mit der Demokratisierung als Gewaltmetropole der Welt in Verruf geriet.

Der Traum der Sicherheit ist jetzt aus. Die Stadt hat bereits hunderte Schranken entfernen lassen. Viele waren illegal oder ihre Genehmigung abgelaufen. Ein Neuantrag bei einer eigenen Prüfstelle erfordert nun andere Kritierien. Angst allein reicht nicht mehr aus, vielmehr muss nachgewiesen werden, dass dort Gewalttaten (möglichst mit Aktennummer) verübt wurden. „Es gibt bisher keinen Neuantrag, der das erfüllt“, sagt der zuständige Leiter Raven Shabe. Er gibt Antragstellern nur geringe Chancen. Die durch die Sperrungen entstandenen Staus auf den Hauptstraßen und die damit einhergehenden Probleme für Rettungsfahrzeuge seien massiv. Auch gebe es keine Straßenkarte für Schlagbäume. Gewalt aber habe es in Johannesburg immer gegeben, nur das verzerrte Bild werde jetzt korrigiert.

„Zu Apartheidzeiten gab es im Norden pro Einwohner einen Polizisten“, meint Shabe. In den ausgegliederten, dicht bevölkerten Schwarzensiedlungen betreute ein Polizist dagegen etwa 1.000 Einwohner. „Gewalt existierte immer in Townships, meist motiviert durch Alkoholmissbrauch unter Bekannten“, bestätigt Sicherheitsminister Charles Nqakula.

Im neuen Südafrika wurden Polizisten nach den Bevölkerungszahlen der Stadtteile umverteilt, Schwarze konnten sich endlich überall frei bewegen. „Nun wurde Gewalt auch in weißen Vierteln Realität, aber sie ist nicht so explodiert, wie es dargestellt wurde“, meint Shabe. Niemand habe nach Alternativen wie Nachbarschaftswachen gesucht. Die Schlagbäume gingen sofort runter, hinzu kamen Elektrozäune, Stracheldrähte und Alarmanlagen. Und Waffen gibt es in fast jedem Haushalt.

„Mit wachsender Bevölkerung gibt es mehr Gewalt“, meint der Sicherheitsminister. Trotzdem sei die Kriminalität gesunken, besonders die Mordrate, aber es gebe mehr Überfälle. Das Angstgefühl vertrieb viele aus der Nachbarschaft oder ganz aus dem Land. Doch es ist das normale Leben in einer vom Arm-reich-Gegensatz geprägten Großstadt und nicht das behütete Dasein in einem „whites only“-Viertel, das um sich greift. Mit oder ohne Schlagbaum.

MARTINA SCHWIKOWSKI