Aufwärts nach Süden

Mit Mexiko will erstmals ein Schwellen- und Anbauland in den Club der Länder, die Produktsiegel fair gehandelter Waren vergeben. Das Fairtrade-Siegel hält künftig Einzug bei den Produzenten

VON CHRISTOPH RASCH

„Ich bin überzeugt davon, dass Fairtrade nur in eine Richtung gehen kann – nach oben“, sagte der UN-Generalsekretär für Handel und Entwicklung, Rubens Ricupero, auf einer Konferenz über fairen Handel in Brasilien. Die optimistischen Worte vom Juni diesen Jahres begleiteten eine Entwicklung, die zeigt: „Nach oben“ heißt im Fall des internationalen Produktsiegels Fairtrade: nach Süden.

In dem weltweiten Netzwerk von Produzenten, Handelsgesellschaften und nationalen Siegel- Initiativen sind die Europäer stark vertreten, auch Japan, Kanada und die USA sind Mitglied. Doch nun betritt ein Kandidat aus einer – nicht nur geografisch – anderen Ecke der Welt die Bühne im internationalen Dachverband aller Fairtrade-Initiativen: Mexiko.

Der dort seit 1999 für den fairen Handel arbeitende nationale Verband „Comercio Justo“ hatte sich 2001 zwecks Zusammenarbeit an die FLO gewandt – und ist nun seit Mai 2004 offiziell „assoziiertes Mitglied“ der Siegel-Gemeinde. „Comercio Justo“ hat einen mexikanischen Siegel-Standard auf nationaler Ebene entwickelt – erst für Kaffee, dann für Mais, der vor allem für viele Kleinbauern das wichtigste Erzeugnis darstellt. Auch Kakao soll künftig per Siegel ausgezeichnet werden.

„Wir wollen die Erzeugerländer auf jeden Fall mit ins Boot holen“, sagt FLO-Generalsekretär Luuk Zonneveld zur Bedeutung der „Vorreiter“-Mitgliedschaft von Mexiko. Die FLO unterstützte den Ausbau fairer Handelsstrukturen in Mexiko, etwa indem es im Rahmen seines „Producer Support Networks“ dort einen Marketing-Workshop durchführte.

Ende des Jahres soll das Aufnahmeverfahren abgeschlossen sein. Aber bis Mexiko Vollmitglied werde, sei noch eine Reihe offener Fragen zu klären, heißt es aus der Bonner FLO-Zentrale. So werde verbandsintern heftig über die Absicht der Mexikaner diskutiert, die Rahmenbedingungen für den fairen Handel auf die Kleinbauern zu beschränken. Hinter „Comercio Justo“ stehen vor allem Produzenten und einige Initiativen, die diese unterstützen. „Hier brauchen wir für einen nachhaltigen Erfolg eine breitere Basis, die etwa auch NGOs mit einbezieht“, sagt Luuk Zonneveld. Mit Aspiranten auf eine FLO-Mitgliedschaft – auch Australien und Spanien wollen demnächst beitreten – werden deshalb im Vorfeld langfristige Businesspläne angelegt.

Im Schwellenland Mexiko müssen die Siegel-Wächter dabei erstmals klären, wie Einkaufspreise für Waren festgelegt werden, die nicht nur exportiert, sondern auch zu fairen Preisen im eigenen Land konsumiert werden sollen. Um hier zu differenzieren, wurde zunächst grob erfasst, welche Produkte wohin wandern. Auch über umweltgerechte Standards bei der Kaffeeproduktion gebe es noch Klärungsbedarf, heißt es.

Der heikelste Stolperstein jedoch: Die „Comercio Justo“ hat bereits ein eigenes Siegel-System entwickelt. Die FLO besteht auf einer Übernahme des international standardisierten Logos inklusive seiner Richtlinien. Ausnahmeregelungen soll es nicht geben.

Einen besonderen Schub für den Ausbau fairer Handelsstrukturen innerhalb Südamerikas verspricht sich die Fachwelt von der ersten dortigen „Biofach America Latina“-Konferenz. Der Ableger der großen Nürnberger Öko-Messe in der vergangenen Woche in Rio de Janeiro, will international mehr Aufmerksamkeit schaffen für Länder wie Gastgeber Brasilien, wo an die 6.500 Produzenten von Kaffee, Soja oder Orangen bereits umweltschonend produzieren und auch faire Handelsstrukturen ständig weiterwachsen.

Nicht zuletzt eröffnet das Fairtrade-Logo neue Absatzmärkte. Bereits jetzt gibt es in jedem lateinamerikanischen Land zertifizierte Verbände für den fairen Handel, und erste Initiativen in Ländern wie El Salvador oder Costa Rica bringen schon die nächsten Kandidaten für eine FLO-Mitgliedschaft ins Spiel. Auch in Afrika, wo in den letzten Jahren die Produzenten-Organisationen durch ihre Beteiligung am fairen Handel stark wurden, vernetzen sich Länder wie Kenia, Uganda oder Tansania immer mehr miteinander. Auch die Fairtrade-Dachorganisation baut ihr Engagement in Afrika, Südamerika und Asien aus. Was ein international anerkanntes Siegel für fair gehandelte Waren angeht, wird die „Aufwärtsbewegung Richtung Süden“ also wohl weitergehen.

Infos: www.fairtrade.net oder www.comerciojusto.com.mx