berliner szenen Lueg mal!

Sex im Alter

Hässlich schimmert das DB-Hochhaus am Potsdamer Platz, aus einer der installierten gigantischen Rosen weint eine Frau. Ein recht kummervolles Setting, wären da nicht diese beiden: Zügig gehen sie, erinnern an Nonnen, obwohl Hand in Hand. Die schwarzen Mäntel wehen, und beide blicken um sich, gewillt, der Umgebung Schönheit abzugewinnen. „Lueg mal! De Mond! Na da!“ Sie eilen weiter, die Schweizerinnen, am Arsenal vorbei. Dabei hätte er ihnen vielleicht gefallen, der Abschlussfilm des LesbenFilmFestivals Berlin.

„The Lily Festival“ der japanischen Regisseurin Sachi Hamano spielt in einem Altersruhesitz. Dort verbringen ältere Damen geruhsam ihre Zeit, bis ein neuer Bewohner einzieht. Schon kurz nach seiner Ankunft haben die Damen zu den Verhaltensweisen des Backfischalters zurückgefunden, da ist ein Kichern und Erröten, Gesichter werden in Händen versteckt, Köpfe zur Seite geneigt. Sachi Hamano, wie sie so mit der großen, runden Sonnenbrille vor dem roten Vorhang im Filmsaal steht, erinnert an Yoko Ono. Sie habe sich mit dem Film einem der größten Tabus der japanischen Gesellschaft nähern wollen: Sex im Alter und mehr noch: dem Sex älterer Frauen. Bisher hat die Regisseurin 300 (!) lesbische Softpornos gedreht. Mit Softpornos aber wird man von der japanischen Filmindustrie nicht beachtet. So hat Hamano einen Spielfilm gedreht. Der Kurzfilmpreis geht an Nanna Huolmann, die über Handy den Applaus des Publikums entgegennehmen darf. Sie sucht nach Worten: „Herzlichen Glückwunsch zur Fußballweltmeisterschaft“, fällt ihr nur ein. Im Foyer der Geruch von Nelkenzigaretten. Dann wieder das Potsdamer Elend. Nur aus den Rosen singen Vögel. KATRIN KRUSE