islamistenkongress
: Irritierender Eifer

Die jüdische Lobby pfeift und die deutsche Regierung und das bürgerliche Medienkartell machen brav Männchen. So in etwa stellt sich der Antisemit gemeinhin die Herrschaftsverhältnisse im Lande vor. Egal, ob er seine Verschwörungstheorie rechtsextremistisch, globalisierungskritisch oder islamistisch begründet.

KOMMENTARVON EBERHARD SEIDEL

Die Debatte rund um einen vermeintlichen „Islamistenkongress“, der Anfang Oktober in Berlin stattfinden soll, scheint den notorischen Judenfeinden neue Nahrung zu geben. Denn kaum hatte vor knapp einer Woche, pünktlich zur Wiederkehr des 11. 9., das Pariser Simon-Wiesenthal-Center die Bundesregierung zum Verbot des Kongresses aufgefordert, kündigte Innenminister Otto Schily, unterstützt von der CDU, ein Verbot der Berliner Versammlung an.

Etwas irritierend waren der plötzliche Eifer und die Entschlossenheit schon. Denn die Vorbereitungen eines möglichen Kongresses in der Hauptstadt sind dem Verfassungsschutz, dem Innenministerium und professionellen Beobachtern der panarabischen, antijüdischen und islamistischen Szene seit Monaten bekannt. Bis zur Intervention des Simon-Wiesenthal-Centers waren sich die Experten einig: Von dieser Initiative geht keine unmittelbare Gefahr aus. Warum auch sollte eine Veranstaltung verboten werden, nur weil auf ihr antiisraelische, antiamerikanische und antieuropäische Reden zu erwarten sind?

Solange nicht zu Gewalt und Rassenhass aufgerufen wird, ist eine solche politische Versammlung in einer funktionierenden Demokratie auszuhalten. Das verlangt der zivilgesellschaftliche Anstand auch deshalb, weil bis heute unklar ist, was sich in der Gefahreneinschätzung so plötzlich geändert haben soll, um ein Versammlungsverbot auszusprechen. Ebenso wenig gibt es Antworten auf die Frage, auf Grund welcher Erkenntnisse sich gegen wen ein Verbot denn richten sollte. All dies ließ Schily offen. Aus Mangel an Informationen? Dies wäre für einen demokratischen Rechtsstaat ein unerhörter Vorgang.

Bleibt die Frage: Reagierten Politik und ein Teil der Medien deshalb so übereifrig, weil ein jüdischer Verband Alarm geschlagen hatte? Das wäre fatal. Antisemitismus nährt man bisweilen auch, indem man die Interessenpolitik einer jüdischen Lobbygruppe nicht kritisch hinterfragt und eigenes Recherchieren und Denken aufgibt. So leicht sollte man es Verschwörungstheoretikern nicht machen.

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