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„Wollen Sie ein Autogramm?“

Gerade erst neu eröffnet – und schon Kult: Auf dem HoheLuftschiff des Theater Zeppelin spielen Kinder für Kinder

von Maren Albertsen

Kurz bevor es losgeht, sind alle ziemlich entspannt. Zeit für eine kleine Verschnaufpause am warmen Spätsommertag. Noch einmal verträumt auf den Isebekkanal herunterschauen oder sich mit geschlossenen Augen der Sonne zuwenden. Herrlich. Hier könnte man bleiben. Doch Anneke Larsmeyer kann nicht. Sie verschwindet im Inneren des Schiffes. Sie muss. Denn gleich gibt es Leiche im letzten Akt, und sie führt dabei Regie. Am vorigen Abend war Premiere und „das war das totale Chaos“, wie ein junger Darsteller verrät, bevor er schnell wieder hinter die Bühne verschwindet. Aber so schlimm kann es nicht gewesen sein, denn einige, die den Abend zuvor schon da waren, sind jetzt auch wieder ans Kaiser-Friedrich-Ufer gekommen. „Ich bin halt süchtig nach diesem Stück und nach meinem Sohn“, bekennt ein besonders stolzer Papa.

Gerade drei Wochen ist die Eröffnungsfeier her, und schon scheint das HoheLuftschiff des Theaters Zeppelin Kult zu sein. Die umgebaute Getreideschute bietet schauspielinteressierten Kindern ein neues Zuhause, direkt gegenüber ihrer Theaterschule. Das freie Theater Zeppelin, zu dem die Schule gehört, ist allerdings schon älter, Grau gründete es bereits 1979. Sie wollte damals mit einem Straßen- und Performancetheater vor allem Kinder begeistern. Und die hatten große Lust, selber mitzumachen. 1990 gab es dann mit dem Dschungelbuch einen ersten Höhepunkt. 87 Kinder waren an der aufwendigen Produktion beteiligt und wollten auch in Zukunft unter professioneller Anleitung auf Bühnen spielen. Außerdem hatte Grau zu dem Zeitpunkt eine kleine Tochter und konnte nicht mehr ständig unterwegs sein.

Seitdem gibt es die Theaterschule für Kinder und Jugendliche, die vor allem Freiräume zur Selbstentfaltung bieten möchte. Rhythmus, Bewegung und Stimme werden trainiert, soziales Handeln und Teamarbeit sollen dann wie nebenbei entstehen. „Das Stück ,Leiche im letzten Akt‘ wurde von der Theatergruppe zum Beispiel selbst geschrieben“, betont Larsmeyer.

An diesem Abend sind es zwölf Kinder, die mitspielen. Bevor es die Treppe runtergeht spricht eine junge Darstellerin, fertig kostümiert, die Besucher selbstbewusst an. „Ich bin Brigit. Wollen Sie auch ein Autogramm?“ Das lässt sich natürlich keiner entgehen. Wer weiß, auf welcher großen Bühne man „Brigit“ eines Tages wiedersehen wird.

Im gut isolierten Rumpf des Schiffes – „wir wollten weder Mikrowelle im Sommer noch Kühlschrank im Winter“ – füllen sich langsam die Sitzreihen. Hier wird nach Größe geordnet, die Kleinsten dürfen direkt vor die Bühne auf die Matten, wer über 1,80 misst, muss ganz nach hinten. Bis zu 100 Leute finden Platz, „aber dann wird es sehr drängelig. 80 sind perfekt.“ Heute bleiben einige Stühle frei, aber alle Zuschauer fiebern mit, bis der Mord in einem alten, staubigen Theater aufgeklärt ist. Alt und staubig ist es hier nun wirklich nicht, man sieht, dass viel Arbeit in die Umbauten gesteckt wurde. Zwei Jahre ist es her, dass Grau die Idee hatte, ein Schiff zum Zentrum für Kinderkultur zu machen und Kindergruppen aus ganz Hamburg einen Ort zu bieten, an dem sie das Sagen haben. Mit Hilfe auch von Sachspenden konnte der Traum jetzt verwirklicht werden. Das Schiff ist ein voll funktionierendes Theater geworden. Die Vorhänge machen beim Auf- und Zuziehen zwar manchmal Probleme, aber ansonsten läuft heute alles wie geplant, und es gibt großen Applaus. Der stolze Papa war viel verkrampfter als sein Sohn, der sich auf der Bühne sichtlich wohl fühlt. Er würde wahrscheinlich noch den ganzen Abend hier weiterspielen. Aber dafür ist das Wetter nun wirklich zu schön.

HoheLuftschiff, Kaiser-Friedrich-Ufer 27, www.theaterzeppelin.de

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