Weitere Entführungen und Tote im Irak

Iraks Regierung fährt zweigleisig gegenüber Rebellen: verhandeln und zugleich von US-Militär angreifen lassen

BAGDAD afp/dpa/taz ■ Die Serie der Entführungen von Ausländern im Irak setzt sich fort. So sind im sunnitischen Dreieck nördlich von Bagdad am Wochenende mehrere türkische Lkw-Fahrer getötet oder entführt worden, weitere zehn türkische Mitarbeiter einer US-türkischen Firma wurden verschleppt. Die „Salafistische Brigade Abu Bakr al-Saddiq“ drohte, die Geiseln zu ermorden, falls die Firma nicht innerhalb von drei Tagen den Irak verlasse. Mutmaßliche Anhänger der Organisation „Tawhid wa Dschihad“ (Einheit und Heiliger Krieg) des Islamisten Abu Mussab al-Sarkawi drohten mit der Ermordung zweier am Donnerstag entführter US-Bürger und eines Briten, falls nicht sämtliche in zwei irakischen Gefängnissen einsitzenden Frauen innerhalb von 48 Stunden freigelassen würden. Der irakische Ministerpräsident Iyad Allawi lehnte diese Forderung ab. Die beiden entführten Italienerinnen Simona Pari und Simona Torretta sind möglicherweise von einer kriminellen Organisation entführt und an „Tawhid wa Dschjihad“ verkauft worden, erklärte unterdessen Vize-Außenminister Hamid al-Bajati.

Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Rekrutierungsstelle der Nationalgarde wurden am Samstag im nordirakischen Kirkuk 19 Menschen getötet und 67 verletzt. Ebenfalls in Kirkuk wurde der schiitische Geistliche Scheich Kadhem al-Hani ermordet. Weitere Tote forderten am Wochenende Anschläge im nordirakischen Mossul, in Falludscha, in Basra und in Bagdad.

Obwohl allein in der vergangenen Woche 300 Menschen im Irak der Gewalt zum Opfer gefallen sind, rechnet Ministerpräsident Allawi damit, dass Parlamentswahlen wie vorgesehen im kommenden Januar durchgeführt werden. „In vier Monaten können sich viele Dinge ändern“, sagte er dem US-Fernsehsender ABC. Um diese Änderungen herbeizuführen, planen die USA laut New York Times noch vor Jahresende eine Großoperation, um die aufständischen Städte des Irak wieder unter Kontrolle zu bringen. Zur Zeit sind neben Falludscha die Städte Ramadi und Samarra in der Hand der Aufständischen, die Situation in Baquba ist ungeklärt. Laut UN-Quellen können Wahlen unter den aktuellen Bedingungen keine Legitimität herstellen.

Allerdings scheinen Verhandlungen zwischen US-Amerikanern, irakischer Interimsregierung und den Rebellen in Verbindung mit Militäraktionen teilweise erfolgreich zu sein. So wurden Angehörige der Mudschahedin-Schura, die Falludscha kontrollieren, gestern in Bagdad zu Gesprächen erwartet. Andererseits erklärte letzte Woche die „Vereinigung Muslimischer Gelehrter“, die größte Gruppe sunnitischer Geistlicher, sie lehne eine Beteiligung an den Wahlen ab. AB