Unwissende Äpfel

BürgerInnen in Norderstedt wollen Stadtwerke und wilhelm.tel behalten. Erfolgreiches Begehren gegen geplanten Verkauf gestern eingereicht

von SVEN-MICHAEL VEIT

Harald Hattendorf ist guter Dinge. Das Bürgerbegehren sei erfolgreich und die Meinung in der Bevölkerung eindeutig: „Ein schöner Tag“, sagt das Mitglied der Initiative gegen den Verkauf der Stadtwerke Norderstedt. Exakt 9.803 Unterschriften hat die Initiative „Pro Eigenbetrieb“ gestern im Rathaus der schleswig-holsteinischen Mittelstadt eingereicht, zehn Prozent der knapp 60.000 Wahlberechtigten hätten auch gereicht.

Per Bürgerentscheid wird demnach zu entscheiden sein, ob Gas, Wasser und Strom, ob Busse, Bäder und das Telekommunikationsnetz in städtischen Händen bleiben oder in die einer GmbH gelangen. Letzteres hatte die CDU-Mehrheit in der Stadtvertretung am 2. September beschlossen, weil diese „größere Handlungsmöglichkeiten auf dem Markt“ habe. Nun hat die Initiative zusammen mit SPD, Bürgerpartei und Grünen das Vorhaben vorerst gestoppt, weil sie die Privatisierung kommunaler Aufgaben befürchtet: „Es lässt sich eben doch etwas bewegen“, jubelt die grüne Abgeordnete Maren Plaschnick.

Grund für die Umwandlungspläne sind die hohen Verluste, welche die Stadtwerke im Nahverkehr und mit dem Erlebnisbad Arriba, einem der größten im nördlichsten Bundesland, einfährt. Noch schwerer allerdings wiegen die roten Zahlen des Hoffnungsträgers wilhelm.tel. Diese Tochtergesellschaft der Stadtwerke hat Ende der 90er Jahre begonnen, Norderstedt mit einem Glasfasernetz zu durchziehen. Die zurzeit rund 15.500 Kunden können damit telefonieren, im Internet surfen und Fernsehen.

Neben 33 Millionen Euro Investitionen sind allerdings bisher knapp 10 Millionen Euro an Miesen aufgelaufen. Stadtwerke-Chef Volker Hallwachs aber ist optimistisch, nach den „Anlaufverlusten“ im nächsten Jahr erstmals Gewinn zu machen: „Wir haben das beste Produkt, die billigsten Preise und den besten Service.“ Und die Stadt verfüge mit dem hochmodernen Datennetz über einen unschätzbaren Standortvorteil im Ringen um Unternehmen, Jobs und Gewerbesteuereinnahmen.

Das bezweifelt die Initiative für den Erhalt der Stadtwerke als städtische Einrichtung zwar nicht. Sie glaubt nur den Beteuerungen von Bürgermeister Hans-Joachim Grote (CDU) nicht, dass keine Privatisierung geplant sei. „Wir sind gut mit den Stadtwerken gefahren und wollen das so lassen“, befindet SPD-Stadtvertreter Peter Behr – nicht zuletzt mit Blick auf den großen Nachbarn Hamburg, wo der Rechts-Senat selbst Wasserwerke und Krankenhäuser auf den Markt zu werfen gedenkt.

Hallwachs und Grote bauen hingegen auf die Vorteile einer GmbH. Bislang könne man einem Unternehmen mit Standorten in Norderstedt und Hamburg keine Gesamtversorgung anbieten – mit der Folge, die Firma an die Konkurrenz zu verlieren.

Die Norderstedter BürgerInnen messen diesem Argument, so scheint es, wenig Gewicht bei. Sie haben aufbegehrt, und Anfang nächsten Jahres werden sie selbst entscheiden. Obwohl, wie Hallwachs findet, „die gar nicht wissen, was sie abstimmen“.