Blinddate mit Derrick

Tränensäcke sind genauso wichtig wie flauschige Teppiche. Bei Hörfilmen jedenfalls

Leicht verunsichert blicken die sehenden Besucher zur ersten von drei Lichtschleusen. Im Gänsemarsch folgen sie ihren blinden Platzanweisern in den stockdunklen Raum. Und fühlen sich in deren Obhut etwas wohler – befinden sich die Sehbehinderten doch in einer für sie alltäglichen Situation. Sie wandeln sicher durch die Dunkelheit. Die Hörfilmpräsentation „Horst T(t)appert im Dunkeln“ im Universum Bremen bringt den Sehenden manche Alltagsprobleme von Blinden und Sehbehinderten näher – auch die mit dem täglichen Fernsehprogramm.

Es gibt keine Leinwand, die den „Zuschauern“ Bilder präsentieren könnte. Sie müssen sich allein auf ihr Gehör und ihre Vorstellungskraft verlassen. Ein Hörfilm erzeugt Bilder, zeigt sie aber nicht.

„Ein großer, blonder Mann mit zurückgekämmtem Haar und leichtem Bauchansatz betritt den Raum. Unter seinen Augen hat er große Tränensäcke.“ Die leicht gehetzte Stimme aus dem Off beschreibt das Antlitz des angestaubten Vorabendkommissars. Die Zeit ist knapp. Schon setzt Derrick zu einem Gespräch mit seinem „kleinen, kräftigen“ Handlanger Harry an. Doch die genannten Informationen sind für sehbehinderte Menschen von großer Bedeutsamkeit. Die, die nichts sehen, müssen sich wenigstens ein Bild machen können.

Die in Berlin ansässige Deutsche Hörfilm gGmbh produziert die behindertengerechten Audiodeskriptionen. In einem Team aus sehenden und blinden Textern entstehen die Szenenbeschreibungen, die in die Dialogpausen eingesprochen werden. Diese sind für Sehbehinderte besonders wichtig, da sie dem dramaturgischen Handlungsstrang aufgrund fehlender gestischer und mimischer Informationen häufig nicht folgen können.

Die im Universum gezeigte Krimifolge, ist einer von etwa 250 nachvertonten Filmen, die jedes Jahr von den öffentlich-rechtlichen Sendern ausgestrahlt werden. Ein verschwindend geringer Anteil im Vergleich zur Gesamtproduktion der Branche. Dabei gibt es etwa 150.000 Blinde und 500.000 Sehbehinderte in Deutschland.

Auch die Bandbreite audiodeskribierter Filme ist sehr gering. So werden zumeist Vorabendserien wie „Derrick“ oder „Ein Fall für zwei“ behindertengerecht nachbereitet. Die Problematik: Die Nachvertonung von Filmen funktioniert nur bei Mono- oder Digitalproduktionen. Die in Stereo aufgenommenen Filme können nicht mit einer weiteren Tonspur belegt werden.

„Die Hörfilme sind ein ‚Public Service‘ der öffentlich-rechtlichen Sender. Blinde und Sehbehinderte haben ein Anrecht auf Teilhabe am Fernsehprogramm“, erläutert Ludwig Krecker, Leiter der Zentralabteilung Fernsehfilm des ZDF in Mainz. Allerdings: „Wir würden hunderte von Beschwerden bekommen, sollten wir viele Sendungen nur in Mono ausstrahlen.“ Mit einem kläglichen Etat von 300.000 Euro beim ZDF lässt sich natürlich nicht viel mehr bewerkstelligen. Dirk Strobel