„Wie sehen Sie denn aus?“

Mit einem Netzwerk will der Bundesverband kleinwüchsiger Menschen mit der Unkenntnis über das Phänomen Kleinwuchs aufräumen. Auch die berufliche Integration soll verbessert werden

Bremen taz ■ „Wie sehen Sie denn aus?“ Dass ein Satz wie dieser das erste ist, was einem kleinwüchsigen Menschen beim Orthopäden entgegenschallt, ist keine Seltenheit – für Karl-Heinz Klingebiel, Geschäftsführer des Bundesverbandes „Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien“ (BKMF), ein weiterer Hinweis auf das mangelnde Fachwissen vieler Ärzte. Etwa 100.000 kleinwüchsige Menschen leben in Deutschland. Ihr Alltag ist oft geprägt von Diskriminierung und schlechter Betreuung ihrer Behinderung. 450 unterschiedliche Formen und Ursachen von Kleinwuchs sind derzeit bekannt. Nur: „Viele Kleinwüchsige haben keine Diagnose, andere müssen lange darauf warten“, weiß Klingebiel.

Das Bremer Projekt „Skelnet“, das der BKMF gestern in Bremen vorstellte, soll das ändern. „Skelnet“ heißt Skelett-Netzwerk, ist bundesweit angelegt und soll Diagnosen und Therapiemöglichkeiten von Knochenfehlbildungen zusammentragen. Mit dabei: zahlreiche Kliniken und Institute in der ganzen Republik.

Eine der beteiligten Ärztinnen ist Anne Römer. Sie untersucht, wie ein Miteinander von Selbsthilfegruppen wie dem BKMF und medizinischen Fachleuten – bisher noch gar nicht etabliert – kleinwüchsigen Menschen nutzen kann. Die Ärztin an der Bremer Professor-Hess-Kinderklinik hat hier mit nur vier kleinwüchsigen Kindern gearbeitet – Zeichen dafür, wie selten und wenig erforscht das Phänomen Kleinwuchs ist. Römer: „Das ist nicht wie eine Blinddarmentzündung, die häufig vorkommt, deren Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten weitläufig bekannt sind.“ Deshalb sammelt sie Erkenntnisse aus verschiedenen Praxen und versteht sich als Anlaufstelle für ratsuchende Ärzte.

Mit einem Projekt zur Berufsberatung macht sich der BKMF zudem für Kleinwüchsige stark. Vorausgegangen ist die Erforschung des Berufslebens von kleinwüchsigen Menschen über vier Jahre. Ergebnis: Die Hürden auf dem Arbeitsmarkt sind hoch. „Vielfach findet einschränkende Berufsberatung statt. Es erfolgt Frühverrentung statt die Vermittlung in Arbeit“, so Klingebiel. Gemeinsam mit dem Arbeitsamt will der BKMF die berufliche Integration kleinwüchsiger Menschen verbessern. Zwei Pädagogen bieten seit August spezielle Beratungsgespräche zu Ausbildungsmöglichkeiten, Arbeitsplatzausstattung und Renteneinstieg an, begleiten auch Behördengänge. Varinia Bernau