Protestflaute nach Protestwahl

Organisatoren der Montagsdemonstration bezeichnen Ergebnisse der Landtagswahlen als schallende Ohrfeige für die etablierten Parteien. Zur Demo kommen nur noch 2.000

Von Resignation wollen die Hartz-IV-Gegner nichts wissen. Zumindest nicht die gerade mal gut 2.000 Teilnehmer, die gestern Abend zur Auftaktkundgebung der inzwischen sechsten Montagsdemonstration am Alexanderplatz gekommen waren. Vor einer Woche waren es noch etwa 8.000 Menschen, die durch die Straßen zogen. Vor zwei Wochen protestierten sogar noch über 15.000.

Mit dem überraschend guten Abschneiden der SPD bei den Wahlen in Brandenburg habe das Abflauen des Protestes ganz sicher nichts zu tun, meinte Demonstrationsteilnehmer Heinz Plecher (49) aus Köpenick: „Zwar habe ich mit einem wesentlich schlechteren Abschneiden der SPD gerechnet, doch abgestraft wurden die großen Parteien ja.“ Völlig unbeeindruckt von dem Wahlergebnis zeigt sich hingegen Andrea Hessel, Zeitungszustellerin aus Wilmersdorf. „Die unterschiedlichen Ergebnisse der SPD in Brandenburg und Sachsen zeigen ja, wie diffus die Wähler sind“, sagte sie am Rande der Demo. Gemeinsam hätten beide Wahlen nur, dass viele nicht an die Urnen gegangen seien. „Das verdeutlicht die Politikverdrossenheit in diesem Land.“

Die Veranstalter der Berliner Montagsdemo sprechen hingegen von einer „schallenden Ohrfeige“ für die etablierten Parteien. Dass SPD und CDU zusammen fast 15 Prozentpunkte verloren haben, zeige, dass Hartz IV eine entscheidende Rolle gespielt hat, sagte Sascha Kimpel für das Berliner Aktionsbündnis. „Unsoziale Politik muss abgestraft werden.“ Kimpel gibt den diffamierenden Äußerungen von Bundespolitikern die Schuld, dass die Wähler in die Arme der rechtsradikalen Parteien NPD und DVU getrieben wurden. „Wer als Politiker Erwerbslose, Sozialhilfeempfänger und Beschäftigte diffamiert und ihnen Anspruchsmentalität vorwirft, während er den Reichen und Aktienbesitzern die Taschen füllt, muss sich nicht wundern, dass sich ein Teil der von Perspektivlosigkeit geplagten Bürger in den Fängen von rechtsradikalen Demagogen wiederfindet“, sagte Kimpel. Das Berliner Aktionsbündnis „Hartz IV muss weg“ sieht sich darin bestärkt, auch weiterhin keine Nationalisten und Faschisten auf den Montagsdemo zu dulden. Hartz IV treffe Deutsche genauso wie Migranten. Es könne keine spezifisch „deutsche Antwort“ auf dieses ungerechte Gesetz geben.

Kimpel & Co. kündigten an, den Protest auch nach der bundesweiten Anti-Hartz-Demo am 2. Oktober fortzusetzen und riefen zum „Heißen Herbst“ auf. Höhepunkt in Berlin soll der 17. November sein – bekannt als Buß- und Bettag. Dieser einst arbeitsfreie Tag wurde 1995 den Unternehmen geopfert – als Zugeständnis für die Finanzierung der Pflegeversicherung. „An diesem Tag soll möglichst wenig gearbeitet werden“, heißt es in dem Aufruf. FELIX LEE