Moskauer Verhör mit tödlichem Ausgang

Ein Ex-Offizier, der angeblich einen Anschlag geplant haben soll, stirbt nach mehrstündiger polizeilicher Vernehmung infolge schwerer Misshandlungen. Offizielle Todesursache: Herzversagen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft

MOSKAU taz ■ Nach dem Geiseldrama von Beslan sind Russlands Sicherheitsstrukturen besonders wachsam. Täglich werden Terrornester ausgehoben und Waffenlager aufgetan. Bei genauerem Nachforschen entpuppen sich viele Fahndungserfolge als blinder Alarm. Russland befände sich im Krieg, hatte Verteidigungsminister Sergei Iwanow nach Beslan behauptet. Dass dieser Eindruck in der Bevölkerung auch haften bleibt, darauf verwendet Moskau erhebliche Energien.

Genau hingeschaut hat die Polizei am Wochenende indes bei der Überprüfung Alexander Pumanes. Der 38-Jährige benahm sich bei einer Kontrolle auffällig. Die Polizei wurde in seinem Wagen fündig. In der Seitentür waren zwei Landminen montiert und unter dem Vordersitz lag ein Sprengsatz von 200 Gramm TNT. „Alles war verkabelt, mit Antenne und Fernbedienung verbunden“, sagte ein Sprecher des FSB-Inlandsgeheimdienstes.

Pumane soll im Verhör gestanden haben, gegen 1.000 Dollar zwei Fahrzeuge mit Sprengsätzen in der Nähe eines Museums am Kutusowski-Prospekt abzustellen. Teilnehmer einer internationalen Bürgermeisterkonferenz sollten das Museum besuchen. Moskaus Stadtpolizei dementierte diese Version.

Der Kutusowski-Prospekt ist die Regierungstrasse, die Präsident Putin und Moskaus politische Führung mindestens zweimal täglich passieren. Pumane gab an, ein Unbekannter habe ihn zuvor in einer Wechselstube angeworben. Die Geschichte klingt obskur. Wer die Hintermänner sein könnten, gaben die Ermittler bislang nicht preis.

Möglich ist, dass der Ex-Offizier der Marine auf eigene Rechnung handeln wollte. Seit Pumane vor vier Jahren aus dem Militärdienst ausschied, lebte er von einer kleinen Rente. Vergeblich kämpfte er um die Anerkennung gesundheitlicher Einschränkungen als Folgeschäden des Militärdienstes. Seine Eltern sind überzeugt, dass ihr Sohn Opfer einer Verschwörung der Sicherheitsstrukturen wurde.

Pumane wurde nach einem dreistündigen Verhör Freitagnacht in eine Moskauer Klinik eingeliefert, wo er vier Stunden später starb. Zunächst wurde als Todesursache Herzversagen angegeben. Gestern eröffnete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Sicherheitsorgane. Nach Presseberichten erlag Pumane den Folgen schwerer Misshandlungen. Mediziner stellten ein Gehirnhämatom infolge eines Schädelbasisbruchs, einen zerschlagenen Kiefer und Hautabschürfungen fest.

KLAUS-HELGE DONATH