Friseur und Zeitung – ein Luxus

Für Arme, die nach dem Jahreswechsel in ein Altenheim ziehen, sind Friseur, Kleider oder die Tageszeitung kaum mehr erschwinglich. Ihr Taschengeld wird um ein Drittel gekürzt

BERLIN taz ■ Magere Zeiten für die Bewohner deutscher Pflegeheime. Tritt im Januar 2005 die Sozialhilfereform in Kraft, drohen vielen von ihnen finanzielle Einbußen. Ihr Taschengeld soll um ein Drittel gekürzt werden. „Nicht mit uns“, protestierten Sozialverbände und selbst die eigenen Parteimitglieder. Jetzt rudert die Bundes-SPD zurück. Von der Sparmaßnahme sollen nur die betroffen sein, die nach dem Jahreswechsel in ein Heim ziehen. Für die heutigen Heimbewohner bliebe dann alles beim Alten. In den nächsten Wochen entscheidet der Bundesrat über die Initiative.

Bislang erhalten alle Heimbewohner, die neben der Sozialhilfe einen Teil ihrer Unterbringungskosten aus eigenem Vermögen mittragen, zum Grundbetrag von 88,80 Euro zwischen 30 und 44 Euro monatlich hinzu. Würde die Reform wie ursprünglich geplant umgesetzt, fiele dieser so genannte Zusatzbarbetrag weg. Betroffen wären nach Expertenschätzung knapp 300.000 Menschen.

Doch das wollen Heimträger und Sozialverbände nicht so einfach hinnehmen. Sie fürchten, die Betroffenen würden allzu stark belastet. „Aus dem Taschengeld müssen neben Hygieneartikeln, Bekleidung und dem Friseur neuerdings auch Praxisgebühr und Fahrtkosten zum Arzt bezahlt werden“, kritisierte Werner Schulze vom Caritasverband Osnabrück.

Auch in der nordrhein-westfälischen SPD ist man angesichts der bevorstehenden Wahlen empört über die Pläne der Regierung. „Die Menschen in den Altenheimen sind schon genug zu Kürzungen herangezogen worden“, so Fraktionschef Edgar Moron. „Ihnen auch noch ans Taschengeld zu gehen, empfinden viele als zynisch.“

In einer Sondersitzung der SPD-Fraktion unterstützte die Mehrheit der Abgeordneten Franz Münteferings Kompromissvorschlag. Auch die Grünen signalisierten Zustimmung. „Die Heimbewohner haben sich auf bestimmte Kosten eingestellt. Ihnen den Betrag plötzlich zu streichen, würde eine unzumutbare Härte bedeuten“, sagt die altenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk.

Nun liegt es an den Ländern, der Übergangsregelung im Bundesrat zuzustimmen. Und obwohl mit einer Mehrheit gerechnet wird, fällt diese Zustimmung wohl nicht allen leicht: Mit der Abschaffung des Zusatzbetrages wären die Kommunen um 130 Millionen Euro entlastet worden. Nach der neuen Lösung wird so viel erst langfristig eingespart.

Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbands Deutschland, begrüßt die Initiative. Jedoch reiche sie nicht weit genug: „Es ist nicht akzeptabel, dass es nur einen Bestandsschutz für die jetzigen Heimbewohner geben soll, Neuzugänge aber leer ausgehen.“ KARIN LOSERT