Der Anfang eines Abgesangs

Aus den bisherigen Plänen zum Bau der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) wird nichts, erklärt Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck. Die Finanzierung wackelt, weil Land und Bund das Bürgschaftsrisiko zu groß ist. Proteste in Frankfurt

aus Berlin MARIUS ZIPPE

Alles sieht nach einem Abgesang auf das aktuell größte Investitionsvorhaben in Ostdeutschland aus. Ziemlich gewunden räumte gestern Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) ein, dass die neue Fabrik für Computerchips in Frankfurt (Oder) vor dem Scheitern steht: „Ich kann nicht sagen, dass sie in der geplanten Form das Licht der Welt erblicken wird. Das ist nicht unmöglich, aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr hoch.“

Dass die Brandenburger nach Cargolifter und Lausitzring mit der 1,3 Milliarden Euro teuren Chipfabrik ein weiteres Luftschloss gebaut haben, deutete sich schon länger an. Erst Anfang Oktober hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder erfolglos versucht, bei seinem Aufenthalt in Dubai mehr Geld für die Chipfabrik zu bekommen. Das Emirat gilt mit 250 Millionen Euro als Hauptinvestor.

Ursprünglich sollten seit Anfang 2003 Chips an der Oder produziert werden. Wegen der ungeklärten Finanzierung der Fabrik, an der Brandenburg mit 38 Millionen Euro indirekt beteiligt ist, wurden die Bauarbeiten jedoch vorübergehend eingestellt. Zwar wird seit dem Sommer wieder gebaut und es gibt einen neuen anvisierten Produktionsbeginn für Ende 2004, doch der Streit ums Geld wurde niemals ausgeräumt.

Dabei geht es um die Absicherung eines 650-Millionen-Euro-Kredits. Ein internationales Bankenkonsortium fordert dafür eine achtzigprozentige Bürgschaft vom deutschen Staat. Bislang hat der gemeinsame Bürgschaftsausschuss von Bund und Land über die Forderung noch nicht entschieden. Für Skepsis sorgt nicht nur die Höhe dieser indirekten Subvention, sondern auch die derzeit unsicheren Marktchancen eines neuen Herstellers für Speicherchips. Bei einer Anhörung des Bürgschaftsausschusses soll das amerikanische Marktforschungsunternehmen Gartner Inc. erhebliche Bedenken zur Wirtschaftlichkeit der Fabrik vorgetragen haben. Nach einem Bericht der Märkischen Oderzeitung vom Wochenende soll Gartner der Bundesregierung inzwischen ein Gutachten vorgelegt haben. Darin wird offenbar vorgeschlagen, die Fabrik zu verkleinern.

Auch ein Krisengespräch im Bundeswirtschaftsministerium am Montag blieb ohne Ergebnis. Der brandenburgische Ministerpräsident hatte kurzfristig alle Termine abgesagt, um daran teilzunehmen. Aus Kreisen der Landesregierung war lediglich zu erfahren, dass der Bürgschaftsausschuss eine endgültige Entscheidung in den nächsten Wochen bekannt geben wird.

Die aktuellen Äußerungen Platzecks wollte gestern niemand kommentieren. Ein Sprecher im Bundeswirtschaftsministerium verwies auf laufende Verhandlungen. Der Sprecher des Ministerpräsidenten sagte, dass zu dem Thema wegen der internationalen Zusammenarbeit Stillschweigen vereinbart worden sei.

In Frankfurt (Oder) befürchten viele Einwohner nun, dass der Aufschwung Ost endgültig an Stadt und Region vorbeigeht. Ein Bürgerbündnis rief für gestern Nachmittag zu einem symbolischen Richtfest am Rohbau der Chipfabrik auf.