Jung, männlich, arbeitslos

In Sachsen stimmte jeder fünfte Mann unter 30 für die NPD. Vor allem auf dem Land. In den Großstädten hatte die Partei kaum eine Chance

In Potsdam machten nur 2,3 Prozent der Wähler ihr Kreuzchen bei den Extremisten von der DVU

AUS BERLIN UND DRESDEN MICHAEL BARTSCH
UND KARIN LOSERT

Wieder einmal die Sächsische Schweiz. In der beliebten Touristenregion südlich von Dresden sind die Rechtsextremisten schon seit langem besonders aktiv, und hier holten sie am Wochenende mit 15,1 Prozent der Zweitstimmen auch ihr bestes Wahlergebnis. In der Region agierte nicht nur die berüchtigte Schlägertruppe „Skinheads Sächsische Schweiz“, hier sitzen seit Juni teils angesehen Biedermänner für die gut strukturierte NPD in den Kommunalparlamenten.

Im mittelsächsischen Muldental, in dem schon Mitte der Neunzigerjahre eine rechte Jugendkultur vorherrschte, erzielte die NPD ebenfalls ein überdurchschnittliches Ergebnis von gut 10 Prozent. Als anfällig erwiesen sich aber erstmals auch Regionen, die bislang trotz hoher Arbeitslosigkeit noch CDU-Hochburgen waren. So konnte die NPD im erzgebirgischen Annaberg diesmal ihr landesweit zweitbestes Ergebnis einfahren (siehe Kasten).

Im aufgeklärteren Milieu der beiden Großstädte Leipzig und Dresden blieb die Partei dagegen mit 4 bis 7 Prozent deutlich unter Landesdurchschnitt. Die beiden Städte sind gleichzeitig die Erfolgsgaranten der Grünen in Sachsen. Sie kamen im Wahlkreis Leipzig 1 auf fast 14 Prozent der Stimmen, im Wahlkreis Dresden 3 sogar auf 15 Prozent.

Erste Wählerwanderungsanalysen zeigen, dass die NPD vor allem das Nichtwählerpotenzial mobilisieren konnte. Ihr Spitzenkandidat Holger Apfel hatte behauptet, die Anzeigenkampagne der letzten Tage gegen die NPD habe „national gesinnte Wähler“ erst recht an die Wahlurne getrieben. Von der PDS sind offenbar nur wenige Wähler wegen der Stasi-Vorwürfe gegen Spitzenkandidat Peter Porsch zu den Nazis gewechselt. Die CDU hingegen hat etwa 40.000 Stimmen an die NPD verloren.

Diese Wähler sind offenbar besonders jung. Bei den unter 30-Jährigen verzeichnet die CDU nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen einen Verlust von 22 Prozentpunkten. In der gleichen Altersgruppe wählten aber 17 Prozent die NPD. Sogar bei den bis 44-Jährigen taten dies noch überdurchschnittliche 12 Prozent.

Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den Arbeitslosen, bei denen die CDU noch stärker verlor. Das Bildungsniveau des typischen NPD-Wählers liegt eher niedrig. Diese Erkenntnis deckt sich mit der regionalen Stimmenverteilung, die Schwerpunkte im ländlichen Raum aufweist. Männer neigen der rechtsradikalen Partei eher zu als Frauen. Jeder fünfte Mann unter 30 Jahren gab am Sonntag der NPD seine Stimme.

In Brandenburg liegen die Hochburgen der DVU vor allem in der südlichen Grenzregion zu Sachsen. So erreichten die Rechtsextremen im südlichen Wahlkreis Oderspreewald-Lausitz I mit 12,22 Prozent der Stimmen ihr bestes Ergebnis, während in Potsdam nur 2,3 Prozent der Wähler ihr Kreuzchen für die Partei um Spitzenkandidatin Liane Hesselbarth gaben.

Nach einer Umfrage hält jeder fünfte Brandenburger die rechtsextreme DVU „für eine demokratische Partei wie jede andere“. 43 Prozent glauben demnach, dass die Partei zwar keine Probleme löse, sie aber beim Namen nenne. Zwei von drei Wählern der DVU erwarten von der Partei einen erfolgreichen Kampf gegen die Kriminalität und eine gute Ausländerpolitik.

Mit Slogans wie „Deutsche Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“ oder „Kriminelle Ausländer raus!“ konnte die DVU vor allem bei den Jungen punkten. 15 Prozent der Erstwähler gaben ihr nach einer Analyse von infratest dimap die Stimme. „Wehrt Euch!“ hieß es auf den Plakaten zur Arbeitsmarktreform, diese sei ohnehin eine „Sauerei“. Und das zog bei den Arbeitslosen: Bei ihnen war die DVU mit 12 Prozent erfolgreich. Für jeden zweiten DVU-Wähler war Hartz IV das wahlentscheidende Thema. Was nichts an der Zustimmung zu Matthias Platzeck ändert: 63 Prozent sehen in ihm einen guten Ministerpräsidenten.

Nach Umfragen hatten vor der Wahl 81 Prozent der Brandenburger einen möglichen Wiedereinzug der DVU in den Landtag als „Schande für das Land“ bezeichnet.

Eine kleine Gemeinde in der Ostprignitz darf sich rühmen, nicht zu dieser Schande beigetragen zu haben: In Königsberg (Kreis Ostprignitz-Ruppin) gab es von den insgesamt 241 Wahlberechtigten keine einzige Stimme für die DVU.