Integration fängt unten an

Die Kommunalwahl vom 26. September interessiert Kölns Migrantenbevölkerung nur mäßig. Vielen hat Kommunalpolitik zu wenig mit ihrem Alltag zu tun. Die Parteien lavieren beim Thema Integration

Von Christiane Martin

„Ich habe mich einbürgern lassen, damit ich wählen gehen kann“, sagt Kadriye Acar. Die 36-Jährige musste dafür ihre türkische Staatsangehörigkeit aufgeben. Larbi Saad hat es da besser. Sein Heimatland Marokko verweigert die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft, so dass Deutschland in diesem Fall eine Doppelstaatsangehörigkeit in Kauf nimmt. Seit zwei Jahren ist Saad deshalb Deutscher und Marokkaner. Auch er hat sich einbürgern lassen, damit er bei Wahlen in Deutschland mitstimmen darf. Staatsangehörigkeit und Wahlrecht sind für die beiden wie für viele Einwanderer wichtige politische Themen. Entschieden wird darüber aber auf Bundesebene. Bei den am Sonntag anstehenden Kommunalwahlen geht es daher für die Migranten um scheinbar unwichtigere Dinge. „Also interessieren sich viele nicht dafür“, mutmaßt Kadriye Acar.

Sie selbst findet Kommunalpolitik spannend, weil „man da mit seiner Stimme mehr bewegen kann als auf Bundesebene“. Obwohl für sie persönlich die kommunale Ausländerpolitik wenig alltagsbestimmend ist, interessiert sie sich dafür am meisten. „Das hat emotionale Gründe. Man gehört dazu, identifiziert sich miteinander, hat ähnliche Erlebnisse“, sagt sie.

In Köln leben über 250.000 Menschen mit einem Migrationshintergrund, die mehr oder weniger auf politisch gesteuerte Integration angewiesen sind. Die SPD bleibt in ihrem Wahlprogramm bei diesem Thema vage. „Für uns ist das ein Querschnittsthema“, rechtfertigt Susana dos Santos Hermann ihre Partei, für die sie Ratskandidatin ist. Integration von Migranten als Selbstverständlichkeit, die nicht extra erwähnt werden muss?

Die CDU ist da schon konkreter. Deutschunterricht mit Förderung der Muttersprache, islamischen Religionsunterricht oder die Integration ausländischer Senioren hat sie sich auf die Fahnen geschrieben. „Wir wollen einerseits die Jugendlichen fördern, aber auch die Alten nicht vergessen“, sagt CDU-Ratsfrau Teresa De Bellis. Die erste Generation Einwanderer sei in Deutschland alt geworden. Eine späte Heimkehr in die ursprüngliche Heimat käme für viele nicht infrage, deshalb brauche Köln besondere Angebote für die Senioren unter den Migranten.

Eine Antidiskriminierungsrichtlinie für die Stadtverwaltung, wie die Grünen sie fordern, konnte mit der CDU bisher allerdings nicht verabschiedet werden. „Die institutionelle Diskriminierung durch die Stadtverwaltung ist neben der alltäglichen ein Problem vieler Migranten“, sagt Arif Ünal, der integrationspolitische Sprecher der Grünen im Stadtrat, und kündigt neue Verhandlungen über eine Antidiskriminierungsrichtlinie an. Vor allem die Ausländerbehörde müsse menschlicher mit den Migranten umgehen. Auch die Ausländerquote unter den Beschäftigten bei der Stadt Köln ist ihm ein Dorn im Auge. „Wir haben nicht die 20 bis 25 Prozent, die dem Anteil an der Gesamtbevölkerung entsprechen. Und vor allem haben wir sie nicht bei höher qualifizierten Jobs. Das muss sich ändern“, sagt der 51-jährige gebürtige Türke, der auch das Thema der Flüchtlinge, die sich offiziell geduldet oder illegal hier aufhalten, enttabuisieren will. Da seien viele Fragen zu klären, beispielsweise, ob es haushaltspolitisch sinnvoll sei, geduldeten Flüchtlingen keine Arbeitserlaubnis zu geben und sie so zu zwingen, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen.