Höchst dürftig

Joachim Paschen, Ex-Leiter des Landesmedienzentrums hat den Band „Hamburg vor dem Krieg“ herausgegeben

An dieser Stelle ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Buch anzuzeigen, dessen Erscheinen – gelinde gesagt – verwundert. Der Umschlag, in unschuldigem Weiß gehalten, zeigt ein durchaus kauf- und kundengerechtes Bildmotiv: die Binnenalster nebst Hamburger Rathaus. Allein der Fahnenschmuck der Lombardsbrücke, den Rathausturm umrahmend, irritiert: Hakenkreuze.

Was außen prangt, findet innen vielfache Entsprechung: So viel Hakenkreuz war nie. Das Buch Hamburg vor dem Krieg, herausgegeben von Joachim Paschen, dem ehemaligen Leiter des Landesmedienzentrums Hamburg, präsentiert, so der Untertitel, „Bilder vom Alltag 1933–1940“. Der Herausgeber bediente sich des eigenen Archivs, in dem die Nachlässe der Fotografen Erich Andres, Willi Beutler und Gerd Mingram bewahrt werden. Es ist dabei die erklärte Absicht des Autors, durch seine Texte und Bildunterschriften „die fotografischen Aufnahmen auf ihren Zweck und ihre Aussage hin zu befragen und zu deuten“.

Eine scheinbar kritische, fotogeschichtliche Intention, doch der hohe Anspruch bleibt uneingelöst: Weder liefert der Herausgeber Originalbildunterschriften der Fotos oder Verweise auf den Erstabdruck der Fotografien, noch wird der Leser darüber informiert, von welchem der drei Fotografen das jeweilige Foto stammt.

Noch dürftiger, ja skandalöser aber sind die jeweiligen historischen Einleitungen und Kommentare des Autors. Es mag entschuldbar sein, dass nationalsozialistische Termini wie „Machtergreifung“ nicht in Anführungszeichen gesetzt sind. Wenn aber ein Foto Erich Andres‘, das ein NSDAP-Plakat mit Bezug zum Reichstagsbrand und der Aufforderung zur Zerschlagung von KPD und SPD ohne Hinweis auf die Reichstagsbrandverordnung und die Aufhebung politischer Grundrechte auskommen muss, so darf der kritische Betrachter zumindest erstaunt sein. Ähnlich wie bei der Präsentation dreier Fotos zum Empfang der Legion Condor in Hamburg im Mai 1939. Dass diese deutsche Luftwaffeneinheit Guernica bombardierte und die Zerstörung dieser Stadt zum Symbol barbarischer Kriegsführung wurde, ist dem promovierten Historiker Paschen keine Erwähnung wert.

Beispiele, die sich beliebig ergänzen ließen. Jeder Blick in eine der einschlägigen Enzyklopädien über den Nationalsozialismus belegt die intellektuelle Dürftigkeit dieses vermeintlich aufklärerischen Buches. Es fällt schwer zu verstehen, was den ambitionierten Temmen-Verlag in Bremen geritten haben mag, ein derartiges Buch zu veröffentlichen. Doch es gibt auch Positives zu vermelden: Wie man hört, verkauft sich das Buch schlecht.

Wilfried Weinke

Joachim Paschen, Landesmedienzentrum Hamburg (Hg.), „Hamburg vor dem Krieg. Bilder vom Alltag 1933–1940“. Bremen 2003, 152 S. 19,90 Euro