musikfest-notizen
: Verwirrung wird Begeisterung

Düster ist der Bremer Dom und leer geräumt. Ganz hinten im Seitenschiff wirft eine nackte Glühlampe ein wenig Licht auf den Mann, der dort Bücher stapelt, vergeblich auf der Suche nach dem Sinn. Faust. Lieblich lässt der Niederländische Kammerchor unter Leitung von Robert Hollingworth Bachs „Jesu meine Freunde“ erklingen, doch wird daraus langsam und schleichend Olivier Messiaens dissonante Variation. „Faust“ als Prozessionstheater, die Verbindung von Schauspiel und Musik ist das Konzept.

Regisseur Henk Schut fordert permanent das Publikum, gibt ihm keine ruhige Minute, keine Pause, verwirrt es immer wieder neu. Auf Seitenschiff folgt Mittelschiff folgt Chor. Hexentanzplatz, Verjüngung, Faust lernt Gretchen kennen und lieben. In einem riesigen Stahlgerüst turnt der junge Faust übermütig herum. Und immer wieder wandeln Chor und Schauspieler als Mönchsprozession mitten durchs Publikum.

Erstaunlich dabei: Beim Publikum veränderte die Aufführung im Verlauf des Abends die innere Haltung. Man wurde in die Inszenierung hineingesogen, so dass sich die anfängliche Verwirrung und der Widerstand ob der ständigen Herausforderung wandelten zu außergewöhnlicher Begeisterung.

Herrlich erfrischend war es, wunderbar spannend und überraschend. Viel Applaus am Ende.ANNA POSTELS