Kriterien für Integration gibt es noch nicht

Müssen Einwanderer künftig den Unterschied zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund kennen? Bei einer Podiumsdiskussion in Kalk zum Zuwanderungsgesetz stößt vor allem der Zwang zu Sprachkursen auf Ablehnung

Köln taz ■ Es kamen zwar nicht viele in den Kinosaal der Kalker Volkshochschule. Aber die kamen, konnten mitreden. Auf Einladung der Grünen zum Thema „Offenes Köln?“ diskutierten Podium und Publikum über Sinn und Unsinn verpflichtender Sprachkurse für Migranten.

Ein junger Mann aus Kamerun kritisiert die vom Gesetz vorgesehene „Zwangsintegration“ durch Sprachkurse: „Integration muss aus freiem Willen kommen“. Turan Özkücük lehnt Zwangskurse ebenfalls ab. Özkücük sitzt als Vertreter des Kölner Ausländerbeirats auf dem Podium und arbeitet im AWO-Migrationsdienst Er bemängelt die geringe Stundenzahl: „600 Stunden reichen gerade als erste Grundlage für einen mittelmäßig gebildeten Menschen, um sich hier zu orientieren.“

Monika Düker hat für die Grünen im Landtag an dem Gesetzentwurf mitgewirkt. Sie erklärt, warum das Recht auf einen Sprach- und Integrationskurs auch eine Pflicht ist: „Der Staat erwartet von den Zuwanderern, dass sie Integrationswillen zeigen. Schließen sie den Kurs erfolgreich ab, dann können sie dauerhaft hier bleiben.“ Pro Jahr sollen rund 50.000 Migranten nachträglich die Schulbank drücken. „Weigern sie sich, werden sie zwar nicht abgeschoben. Aber sie müssen wegen der Verlängerung öfter zum Amt, zum Beispiel alle vier Wochen“, erklärt die grüne Landtagsabgeordnete.

Auch Beshid Najafi von agisra, der Kölner Beratungsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen, kann sich mit der Pflicht zum Kurs nicht anfreunden. „Wir wissen, dass viele eingewanderte Frauen von der Außenwelt isoliert werden. Sie werden von ihren Männern daran gehindert, einen Deutschkurs zu machen. Deshalb dachten wir, so eine Pflicht wäre ganz gut, um die Integration gegen die Männer durchzusetzen. Aber nicht bei diesen Sanktionen.“ Ist der Zuwanderer – oder die Zuwanderin – nach dem Ermessen des Ausländeramtes nicht integrationswillig genug, drohen Strafen: Wer neu nach Deutschland gekommen ist, riskiert eine 10-prozentige Kürzung seiner Sozialleistungen. Noch schwerwiegender: Auch langjährig hier lebende Ausländer müssen den Kurs machen, wenn „Nachintegrationsbedarf“ festgestellt wird. Den „Bedarf“ ermittelt das Ausländeramt, wenn die Aufenthaltsgenehmigung verlängert wird.

„Müssen dann in Zukunft alle Ausländer den Unterschied zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund kennen?“, will ein Zuhörer Näheres über die Kriterien wissen. Monika Düker räumt ein: „Die Mitarbeiter der Ausländerbehörden sind mit dieser Aufgabe völlig überfordert. Sie müssen geschult werden“. Die Antwort auf die Frage nach den Kriterien bleibt sie damit schuldig.

Wo sollen Mütter ihre Kinder während der Kurse lassen, und wann sollen arbeitende Eltern dafür überhaupt Zeit finden, fragt ein junger Mann. Turan Özkücük fordert: „Da muss die Stadt eintreten.“ Die städtischen Beamten hätten bei der Integration selbst einigen Nachholbedarf, stellt er fest: „Es gibt kaum ausländischstämmige Mitarbeiter bei der Stadt. Es sei denn, als Müllmänner oder Putzfrauen.“ Silke Freude