Die Rückkehr des Sparers

Die Neu-Vermögensbildung in Aktien ist zurückgegangen. Einige Solarfirmen könnten den Energiesektor an der Börse wieder in Schwung bringen. Interview mit dem Vorstandssprecher der Bochumer GLS-Gemeinschaftsbank, Thomas Jorberg

taz: Das Thema „Aktieninvestment“ wird in Zeiten schlechter Börsenstimmung auf merklich kleinerer Flamme gekocht als noch vor drei Jahren. Wird der „Anleger“ wieder zum profanen „Sparer“?

Thomas Jorberg: Wenn man sich allgemein die Bankenwerbung anschaut, dann entsteht dieser Eindruck. Einst wurde ja sehr viel für die Börse und für die Aktie geworben. Aber bei uns war das nicht der Fall. Wir haben den Sparer immer geschätzt – gerade in den letzten Jahren – und in diesem Sinne auch umworben. Bei uns ist der Sparer – oder wie wir sagen: der Einleger – ein ganz wichtiger Kunde.

Fallende oder zumindest stagnierende Aktienindizes sind ein Zeichen für mangelnde Anlegerlust. Würden Aktien gekauft, stiegen die Indizes. Ist das derzeitige Misstrauen in börsennotierte Papiere berechtigt?

Man hat Aktien früher eher nach ihrem Substanzwert eingeordnet. Später war der Ertragswert ein Kriterium. Heute schaut man bei der Beurteilung der Kurse an der Börse eigentlich nur noch auf den Erwartungswert und was ein Aktienkurs künftig erbringen könnte. Aufgrund dieser Entwicklung finde ich das Misstrauen berechtigt. Die Börse hat nur noch wenig mit den realen wirtschaftlichen Vorgängen zu tun …

hatte sie das überhaupt jemals?

Ja, das hatte sie früher viel mehr als heute. Vor einigen Jahren ist man eben tatsächlich bei der Bewertung vom besagten Substanzwert ausgegangen. Heute wird gefragt: Was zahlt ein künftiger Käufer der Aktie für das Papier? Es wird weniger danach gefragt, was das Unternehmen tatsächlich leisten kann. Beides hat nur noch mittelbar etwas miteinander zu tun.

Das Deutsche Aktien-Institut zielt bei seiner Werbung für die Börse und Aktien doch schon von jeher allein auf den potenziellen Wert des Papiers. Es wirbt um Anlagen mit einem „perspektivischen Gewinn“, beispielsweise zur Altersvorsorge, also im Grunde genommen mit dem Erwartungswert.

In den letzten zehn Jahren, ja. Der ganze Börsenboom hat nur so funktioniert, indem eigentlich deutlich war, den Ertrag aus der Aktie kann nur ein anderer Aktienkäufer erbringen. Nicht das Unternehmen bringt den Ertrag eines Wertpapiers, sondern irgendwelche Informationen über irgendwelche Entwicklungen, die meistens schon im Börsenkurs vorweggenommen sind. Insofern ist da Misstrauen angebracht.

Gerade im Moment scheinen sich ja einige Unternehmen aus dem Segment erneuerbarer Energien, namentlich der Solarenergie, für ein Going Public warm zu laufen. Die Q-Cells AG beispielsweise streut solche Informationen, Phönix Sonnenstrom AG, Conergy AG bringt sich auch ins Gespräch. Belebt sich damit der Aktienmarkt in absehbarer Zeit?

Ich setze zwar viel Hoffnung in die Solarenergie hinsichtlich der ungelösten Energieprobleme. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Branche eine ganze Börsenentwicklung beeinflusst und belebt. Allerdings glaube ich, dass dies sehr wohl für den Nischenmarkt „grüne Aktien“ gelingen kann. Da hat Solarenergie eine gute Entwicklung vor sich. Ich hoffe aber, dass daraus nicht wieder ein Börsenboom entsteht, bei dem sich die Unternehmen mehr am Aktienkurs orientieren als an den eigentlichen Aufgaben.

Ist die Bankenwelt nach dem einstigen Aktienboom und Ausrichtung auf den Investor überhaupt noch auf einen Sparer vorbereitet?

Ich erlebe immer wieder – gerade im ethisch-ökologischen Bereich –, dass Anbieter die Aktie oder den Investmentfonds in den Vordergrund stellen. Betrachtet man aber die privaten Haushalte, sieht das ganz anders aus: Noch immer haben 80 Prozent der Haushalte Spareinlagen, nur 20 Prozent haben Aktien oder Fonds. Wenn man das weiter differenziert, kommt man zu dem Ergebnis, dass nur 6 Prozent der Privatanleger tatsächlich Aktien halten, 12 Prozent Investmentfonds. Demgegenüber sind 36 Prozent ausschließlich in Bankanlagen investiert, und da wiederum vorwiegend in Sparanlagen.

Also: Der überwiegende Teil aller Finanzkunden und Geldanleger legt nach wie vor in den klassischen Formen an. Das ist natürlich für die Öffentlichkeit und für die Presse nicht so interessant und wird auch nicht so hervorgehoben. Die Neu-Vermögensbildung in Aktien ist deutlich zurückgegangen, zumal bei den privaten Anlegern.

Die GLS-Bank bietet vor allem Sparbriefe und termingebundene Papiere an. Können Sie feststellen, dass Sparer zunehmend auf diese Anlageformen ausweichen?

Wir haben ohnehin ein insgesamt starkes Wachstum im Spar- und Termineinlagenbereich. Ich kann feststellen, dass der überwiegende Anteil in Spar- oder Termingeldformen geht und ein kleinerer Teil auch in risikotragende Formen, geschlossene Fonds, zum Teil auch in die Vermittlung von Investmentfonds. Wir haben Kundeneinlagen in Höhe von 400 Millionen Euro, und wir haben ungefähr 70 Millionen Euro, die Kunden vor allem in Energiefonds oder geschlossene Fonds investieren. Rund 10 Millionen gehen dann noch in Investmentfonds.

Der Trend ist also klar: Der überwiegende Anteil unserer Kunden investiert in die Spareinlage oder den Termingeldbereich.

Liegt das allein daran, dass Sie durch die Übernahme der Ökobank Kunden hinzugewonnen haben? Oder lassen sich neben den absoluten Zahlen in diesen Segmenten auch Tendenzen ausmachen?

Diese Entwicklung gab es schon vor der Übernahme des Ökobank-Geschäftes, und die hat sich kontinuierlich fortgesetzt. Natürlich hat die Übernahme einen Zuwachs gebracht, aber anteilig ist das Wachstum ähnlich geblieben. Das liegt sicher daran, dass bei uns die Wirkung von Einlagen und Krediten immer unmittelbar nachvollziehbar ist. Darin unterscheiden diese sich etwa von den Investmentfonds, die über die Börse gehandelt werden. INTERVIEW: ANDREAS LOHSE