berliner szenen Tracey Emin in Berlin

In Traceyland

Das letzte Mal in Bern hatte sie ganz schlechte Laune, sagt E. Was macht sie denn, wenn sie nicht gut drauf ist?, fragt jemand. Sie bricht einfach alles ab und antwortet nicht. E. muss Tracey nachher interviewen. Wir versuchen alle ihre Anspannung wegzutrinken. Toi, toi, toi! Und tschüss.

An diesem Abend weht der kalte Märzwind ein Publikum herein, das sich gegenseitig gern und ungern sieht, aber man nickt sich zu wie einem verzerrten Ebenbild. Nein, der schon wieder. Hallo, schön dich zu sehen. Es ist fast warm und voll von Blicken im oberen Saal von Clärchens Ballhaus, wo die großen gesprungenen Spiegel das Scheinwerferlicht durch den hohen Raum schicken, wo eine Knabenbüste bis zum Bröckeln gespannt auf die Bühne blickt. Dort hinter dem Mikro soll eigentlich Tracey Emin stehen, die aber, wie es sich gehört, noch gar nicht angekommen scheint. Die Verlagsvertretung sieht kurz beunruhigt aus.

Tracey Emin erscheint dann doch nur wenig verspätet und wie jemand, der sich fremd fühlen muss: höflich, gut angezogen, witzig. Die Haare sind eine über den Kopf geworfene Andacht der Lockerheit, bewegen sich aber am Abend kein einziges Mal von der zurechtdrapierten Stelle. Grünes Kleid. Taille. Und mit ebenfalls hochgradig aufregendem Rest. Ein langer Schatten legt sich über die Bühne. Kleid und Tracey beginnen aus „Strangeland“ zu lesen: Sex, Motherland, Freiheit, Entzug, Fatherland. Im Traceyland ist Inneres gleich Äußeres ist gleich trotzdem geheimnisvoll. Die Gleichung und Worte segeln über den Scheinwerferhimmel. Und man denkt: Das Schöne an allem Geschriebenen und Gemalten und Gedachten ist, dass die Welt draußen für einen Moment den Motor abstellt. ANDREA HÜNNIGER