Schonend beten

Atheistischer Vater klagte gegen Tischgebete im Kindergarten. Verfassungsrichter verwiesen Streit zurück

KARLSRUHE taz ■ Schon wieder ging es in Karlsruhe um das Verhältnis von Staat und Religion. Nach Kruzifix und Kopftuch wurde am Bundesverfassungsgericht nun über Tischgebete im Kindergarten beraten. Doch die Verfassungsrichter brauchen offensichtlich eine Pause, sie wiesen den Streit an die Verwaltungsgerichte zurück.

Konkret geht es um den Kindergarten „Sonnenschein“ in Wommelshausen bei Marburg. Dort sprechen die Erzieherinnen mit den Kindern vor der Mahlzeit ein kurzes Tischgebet. Diese Praxis ist mit den Eltern abgestimmt und von diesen teilweise sogar ausdrücklich gewünscht.

Gegen die Tischgebete klagt allerdings der Kleinunternehmer Bernd Noll, dessen inzwischen 6-jähriger Sohn seit einem Jahr den Kindergarten in Wommelshausen besucht. Noll argumentiert, dass „Sonnenschein“ ein kommunaler, also staatlicher Kindergarten sei und sich deshalb weltanschaulich neutral verhalten müsse. Noll ist Atheist und sieht sein Elternrecht sowie die Glaubensfreiheit seines Sohnes verletzt, wenn staatliche Erzieherinnen als „Organisatoren religiöser Betätigung“ auftreten. Unterstützt wird er von der Humanistischen Union in Marburg.

Bei den Verwaltungsgerichten unterlag Noll allerdings in zwei Eilverfahren. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel entschied im Juli, dass ein freiwilliges Tischgebet zu dulden sei, weil es nur wenige Sekunden dauere. Kinder, die nicht teilnehmen wollten, könnten sich solange „an anderen Orten im Kindergarten aufhalten“.

Gegen diese Entscheidung hatte Noll das Bundesverfassungsgericht angerufen. Doch dort wollte man den Streit noch nicht entscheiden. Erst soll das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten zu Ende geführt werden. Dies sei Noll und seinem Sohn auch zuzumuten, da die „Sonnenschein“-Erzieherinnen um eine „schonende“ Gestaltung des Tischgebets bemüht seien. Den anderen Kindern werde deutlich gemacht, dass die Nichtteilnahme am Gebet als „Ausdruck einer achtenswerten eigenen weltanschaulichen Überzeugung“ toleriert werden sollte.

Zwei Hinweise gab Karlsruhe den Verwaltungsgerichten allerdings doch noch mit auf den Weg. So müssten „missionarische“ Einwirkungen der Erzieherinnen ausgeschlossen werden. Außerdem solle einer herausstellenden Sonderbehandlung von Gebetsverweigerern entgegengewirkt werden.

CHRISTIAN RATH