Gute Laune mit Posaune

Jeans Team feierten am Wochenende gleich zwei Mal das Erscheinen ihrer neuen Single „Berlin am Meer“ und hatten dazu ihre finnische Lieblingsband Uusi Fantasia geladen

Am Nachthimmel über Friedrichshagen leuchtet die dicke weiße Halbmondbohne. Darunter bröckelt das Union Filmtheater, ein uraltes Kino am Rande der Stadt. Das Jeans Team feiert nach mehreren Jahren elektronischer Schwerstarbeit seine neue Single „Berlin am Meer“. Dazu haben sich die vier Kraftwerkskinder ihre finnische Lieblingsband Uusi Fantasia eingeladen. Das Ganze soll an einem besonderen Ort stattfinden. Das Union-Kino ist so ein Ort, nur leider liegt es jwd, und deshalb ist das Konzert auch nicht gut besucht.

Im dem altmodischen Kinosaal stehen zwei Reihen roter Samtsitze im Halbkreis. Dazwischen Beistelltischchen, brennende Teelichter in bunt beklebten Marmeladengläsern. Das Publikum sitzt und plaudert. Die Dimmerbeleuchtung taucht den Raum in Wohnzimmer-am-Abend-Stimmung. Das bleibt auch so, als das Jeans Team die Bühne unter der Leinwand betritt. Sie sind nur zu dritt, der Vierte, Herr Kreis, befindet sich im Urlaub. Eine gepflegte Elektroshow in Reiterhosen und mit Hosenträgern nimmt seinen Lauf. Neue Versionen von „Baby“, „Waffenladen“ und „Keine Melodien“ wechseln sich mit ungehörten Instrumentals ab. Die Boxen spendieren nicht die nötige Lautstärke, um die Party in Gang zu bringen. Da hilft auch Reimo Herforts Elektropopper-Ausdruckstanz-Performance nichts. Bis zum Schluss bleiben die Leute hartnäckig sitzen. Trotzdem anhaltender, begeisterter Applaus wie im Theater.

Als sich die viel gelobten Uusi Fantasia auf die Bühne wühlen, geht endlich das Licht aus, die Musik wird lauter, und sofort fangen die Leute an zu tanzen. Fünf finnische Jungs in Jeans und mit nacktem Oberkörper unter gemeinen gelben Wolljackets. Mit Sampler, Synthies, Posaune, kopfloser Gitarre und nahezu unsichtbarer E-Geige breiten sie eine superrelaxte Mischung aus Discofunk, Jazz und Dub aus. „Thank you for coming – where are you going?“, sagt DJ Street Kobra nach dem ersten Stück. Der Dank war ans Publikum gerichtet, die Frage an Kroko Roc, den Gitarristen, dessen Instrument nicht das einzige kopflose Wesen an diesem Abend zu sein scheint. Im betäubten Glauben, es sei das letzte Lied gewesen, hatte Kroko Roc nach dem ersten Lied flink die Bühne verlassen, als ihn der Ruf von Street Kobra erreichte. Etwas konfus und mit diversen amüsanten Unterbrechungen geht es weiter. Posaune kaputt. „Does anybody have an extra trombone?“ Nach der Reparatur: „Trombone is back in the house!“

Kroko Roc und DJ Street Kobra aka Vilunki 3000 und DJ PP haben hierzulande als durchgeknallte Begleitband von Erland Oye bereits bleibenden Eindruck hinterlassen. Als Uusi Fantasia arbeiten die beiden seit drei Jahren zusammen. Gerade haben sie ihr erstes Album „Top Ten“ auf Tellérecords veröffentlicht, dem norwegischen Debütfabrikanten von Bands wie Kings of Convenience und Röyksopp.

Nach einer Stunde Konzert mit sieben entspannten Instrumentals und einer Zugabe verabschiedet sich DJ Street Kobra unter Zugaberufen mit drei Mikros in einer Hand. „Danke, danke, danke.“ Und Kroko Roc kommt ein letztes Mal zur Besinnung: „We can’t play anymore ’cause we havent prepared anymore.“

26 Stunden später im Rio geben sich die beiden Bands ein zweites Stelldichein. Nach dem gepflegten Konzertpublikum vom Vorabend sind sie jetzt zwischen schwitzenden Partypeople eingezwängt. Eine vernünftige Anlage sorgt endlich für angemessene Lautstärke. Jetzt zeigt sich das Können der Finnen in seiner vollen Blüte. Es geht nur noch um die Musik. Das spürt das Publikum auch und lässt sich mitreißen. Und weil diesmal alles stimmt, ist auch kein Platz mehr zum Schotenerzählen. OLGA-LOUISE DOMMEL