Echte Wahlen bevorzugt

Auch die neuen Integrationsräte treiben die Migranten in NRW nicht massenweise ins Wahllokal. Eingebürgerte zeigen mehr Politikinteresse

Wo Migranten sich vertreten fühlen, ist das Interesse für Politik größer

VON NATALIE WIESMANN

Im Schatten der nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen haben MigrantInnen in zehn Städten und Kreisen des Landes Ausländer- und Integrationsräte gewählt. Doch das Interesse an einer außerparlamentarischen Vertretung hält sich in Grenzen: Die Beteiligung an den Wahlen ist im Vergleich zu 1999 teilweise gestiegen, in anderen Kommunen gesunken, und das alles auf niedrigem Niveau: Sie lag zwischen vier und 24 Prozent.

„In den Kommunen, welche die Ausländerbeiräte durch Integrationsräte ersetzt haben, ist die Wahlbeteiligung gewachsen“, sagt Tayfun Keltek, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Migrantenvertretungen (LAGA), die das neue Modell der Mitbestimmung mit entwickelt hat. In der Tendenz bestätigen ihn die Zahlen: In Menden ist das alte Modell des Ausländerrats nur noch von 10 Prozent (1999: 18 Prozent) gewählt worden, in Wetter sank die Beteiligung an den Ausländerratswahlen von elf auf acht Prozent. Dagegen wurde in Wesel der neu eingeführte Integrationsrat von 24 Prozent der Migranten gewählt, für sein Vorgängermodell interessierten sich 1999 nur 19 Prozent. In Lüdenscheid ist die Wahlbeteiligung von 2,9 auf bescheidene 4,2 Prozent angestiegen.

In die Integrationsräte, die in 60 NRW-Kommunen die Ausländerräte ablösen, hatten Land und LAGA all ihre Hoffnungen gesetzt. Neben den gewählten VertreterInnen sitzen im neuen Gremium auch Stadtratsmitglieder, die die Verzahnung der Interessen ausländischer Bürger mit der Politik der Stadt optimieren sollen. Um die Wahlbeteilung zu erhöhen, wurde außerdem der Kreis an Wählern erweitert: Auch eingebürgerte Personen mit Migrationshintergrund dürfen mitwählen.

Dass das Interesse an dem neuen Mitbestimmungsgremium dennoch so niedrig ist, kann Keltek nur so erklären: „Die Integrationsräte müssen ihre Wahlwerbung aus der eigenen Tasche zahlen.“ Außerdem glaubt Keltek, dass die Wahlen zu den Migrantenvertretungen im Rummel der Kommunalwahl untergegangen seien.

Am 21. November wird sich endgültig zeigen, ob das Modell des Integrationsrats bei den Betroffenen ankommt. Denn das ist der Termin, an dem der größte Teil der Migrantenvertretungen im Land gewählt wird. Ob der Aufruf der nordrhein-westfälischen Sozialministerin Birgit Fischer (SPD) zu mehr Wahlbeteiligung verhelfen wird, ist fraglich: „Die Integrationsräte sind ein wichtiges Instrument der Mitbestimmung“ appelliert sie an die nicht deutsch-stämmige Bevölkerung.

Die „richtige“ Politik, wie beispielsweise die Kommunalwahlen, scheint für Migranten dennoch attraktiver. „In Bezirken, wo Migranten sich aufstellen lassen, ist das Interesse an Mitbestimmung größer“, weiß Lydia Jendryschik, Sprecherin des Landeszentrums für Zuwanderung. Das glaubt auch der frisch gewählte grüne Essener Ratsherr Burak Copur. Bei seinem Wahlkampf im Stadtteil Katernberg, wo der Migrantenanteil sehr hoch ist, hat er durch seine Kandidatur gepunktet. „Die Grünen haben dort um zwei Prozent auf 7,8 Prozent zugelegt“, sagt er. Auch Ali Ertan Toprak, für die Grünen in den Recklinghäuser Rat eingezogen, glaubt an die Sogwirkung von Vorbildern wie ihm: „Das Interesse der Eingebürgerten an der Kommunalwahl ist sehr groß“, sagt er.