Chronik der Kölner Klüngelkratie

In seinem Buch „Lokaltermin“ schildert der Journalist Wolfgang Hippe die Kölner Tradition des „Schönredens krimineller Praktiken“ in der Kommunalpolitik anhand prominenter Klüngel-Beispiele

Von Frank Überall

Kommunalpolitik wird gleich von mehreren Seiten bedroht: Zum einen werden die Spielräume durch finanzielle Vorgaben von Landes- und Bundesebene immer weiter ausgehöhlt, zum anderen machen sich die Staatsdiener die Kommune immer mehr zur Beute. Das ist das Fazit des Buches „Lokaltermin: Kassen, Konten und Karrieren“, das der Kölner Journalist Wolfgang Hippe im Klartext Verlag veröffentlicht hat.

„Obwohl der legendäre Klüngel ohne Zweifel starke lokale Züge trägt, ist er doch nicht so einmalig, wie der Kölner Lokalpatriot und die überregionale Qualitätspresse im Guten wie im Schlechten glauben“, schickt Hippe seinem Werk vorweg. Als Beleg schildert er die Verstrickungen und Verfehlungen von Politikern in Wuppertal, Bonn oder Essen.

Das „Schönreden krimineller Praktiken“ habe aber eben auch bei den Kommunalpolitikern im Kölner Rathaus Tradition. Detailliert zeichnet Hippe die politischen Streitwege vor allem der großen Parteien SPD und CDU nach. Er gibt einen Einblick in die Geschichte der Auseinandersetzungen, deren Kontrahenten vor allem bei der Union noch heute die Geschicke der Partei – und damit der Stadt – wesentlich mit bestimmen. Er beweist, dass der Einsatz für „Partei-Interessen“ immer wieder das Handeln der Verantwortlichen bestimmt und gerechtfertigt hat. Unter diesem Oberbegriff subsumierten die Politiker aber immer wieder skrupellose Machtspiele, bei denen sie die Grenzen der Gesetze oft allzu großzügig auslegten.

Im wesentlichen als Chronist schildert der Autor die städtischen Großprojekte Müllverbrennungsanlage, Mediapark oder Kölnarena. Wer hier neue Fakten erwartet, wird enttäuscht. Hippes Verdienst ist es, die zum Teil komplizierten „Geschichten“ lesbar und kompakt zu beschreiben. Ansatzweise beschreibt er auch den Einfluss des Verlagshauses M. DuMont Schauberg und des Esch-Oppenheim-Immobilienfonds.

So mancher Name fällt in Hippes Buch, den wir schon fast vergessen hatten. Zum Beispiel der des ehemaligen Kölner Umweltdezernenten Ulrich Schröder, der einen Beratervertrag mit der Firma Trienekens hatte. Aber auch gute Bekannte sind mit von der Partie: So der heutige SPD-Vorsitzende Jochen Ott, der zu Zeiten des „Heugel-Teams“ der Plakatklebetruppe 100 Mark pro Person in bar ausgezahlt haben soll. Das CDU-„Stehaufmännchen“ Richard Blömer wird dadurch gewürdigt, dass seine Rücktritte in der Vergangenheit resümiert werden – und darauf verwiesen wird, dass der starke Mann aus Lindenthal bislang immer wieder gekommen ist.

Hippe sucht vereinzelt auch nach den Gründen für die weit verbreitete politische Mittelmäßigkeit und Unverfrorenheit in unserer Stadt. So gibt er den Denkanstoß, dass die Stadt Köln zwar ähnlich viel zu verwalten habe wie das gesamte Saarland – trotzdem gibt es für die Parteien am Rhein keine Wahlkampfkosten-Erstattung. Dafür werde dann die Wirtschaft um Hilfe bemüht oder illegalerweise die Mandatsträger. Denn das Bundesverfassungsgericht habe längst die Zwangsabgaben der Politiker an ihre Parteien als unzulässig gebrandmarkt. Hinzu komme, dass Korruption in ihrem strafrechtlichen Begriff vielfach zu kurz greift: Ämterpatronage, Klientelismus und Nepotismus blieben weitgehend ausgeblendet.

Wolfgang Hippe wendet sich leidenschaftlich gegen die „Lobbykratie“ in den Rathäusern und fordert mehr Transparenz. Gleichzeitig setzt er sich für mehr Bürgerrechte ein. „Die Lösung liegt sicher nicht nur in der Stärkung der lokalen Demokratie, aber ohne sie geht gar nichts“, schreibt er. Wichtig sei aber auch „ein dritter Weg jenseits der Herrschaft von Parteien und/oder Verwaltung“.

Wolfgang Hippe: „Lokaltermin“, Klartext Verlag Essen, 224 Seiten Broschur, ISBN 3-89861-298-8, 14,90 Euro