DER VORSTOSS AUS LONDON SETZT DIE BUNDESREGIERUNG UNTER DRUCK
: Raus aus der Schuldenfalle

Mag ja sein, dass Großbritanniens Schatzminister Gordon Brown sich am Sonntag vor den Vertretern der globalisierungskritischen Initiativen aus wahltaktischen Gründen gerne als barmherziger Engel präsentieren wollte. Doch die Ankündigung, den ärmsten Ländern der Welt insgesamt knapp 150 Millionen Euro Schulden erlassen zu wollen, war jenseits aller Selbstinszenierung ein wichtiger und begrüßenswerter Schritt. Selbstverständlich könnte es immer mehr sein. Denn dem Grundsatz, dass Schuldenerlass nicht nur dem Land selber nützt, stimmen mittlerweile auch konservative Fachleute zu. Wer mehr Geld für das eigene Gesundheits- und Bildungssystem ausgeben kann, entlastet langfristig die Weltgemeinschaft.

Die Bedeutung der Brown’schen Ankündigung liegt aber weniger in der konkreten Summe als in der Kettenreaktion, die sie auslösen könnte. Kurz vor der Herbsttagung von IWF und Weltbank – und vor allem dem Treffen der G7-Finanzminister – geraten nun auch die anderen Gläubigerstaaten unter Druck und müssen sich Anfragen nach ähnlichen Schritten gefallen lassen.

Die Bundesregierung reagiert bislang viel zu zurückhaltend. Zwar begrüßt das Bundesentwicklungsministerium grundsätzlich das Vorhaben Browns und verweist darauf, dass die Ministerin Wieczorek-Zeul schon lange für die Ausweitung des Schuldenerlasses ist. Doch konkrete Ankündigungen bleiben bislang aus. Auch das Finanzministerium hält sich bedeckt und verweist lediglich auf die Gespräche im „Pariser Club“ der Gläubigerstaaten.

Das ist bedauerlich. Grundsätzliche Absichtserklärungen reichen nicht mehr aus. Auch darf es nicht bei Schuldenerlassen bleiben, die almosenhaft mal hier und mal da verteilt werden. Mittelfristig geht es um die Frage, ob das IWF- und Weltbankgeld für die Entwicklungsländer statt als Kredit nicht lieber gleich als Zuschuss vergeben werden sollte.

Bislang zeigt sich der IWF mit Blick auf solche weitreichenden Forderungen zurückhaltend, weil er um die eigene finanzielle Sicherheit fürchtet: Immerhin zahlen die ärmsten Länder der Welt pro Jahr 800 Millionen US-Dollar zurück. Doch bei allem Verständnis für seriöse Haushaltsplanung – diese Sorge ist fehl am Platze. Der IWF hortet noch einen Goldschatz in seinem Keller, der bislang nur mit einem Achtel seines aktuellen Wertes in den Büchern steht. Eine Neubewertung dieser Reserven würde die finanzielle Basis der Organisation deutlich verbreitern. Auch dies ist übrigens ein Vorschlag aus Großbritannien. STEPHAN KOSCH