Mehr AkademikerInnen sind nicht genug

Zahl der Hochschulabsolventen steigt auf den höchsten Stand seit vier Jahren. Frauen legen überdurchschnittlich zu und Bachelor- und Masterstudiengänge werden zunehmend akzeptiert. Aber: Die nächste demografische Talfahrt steht bevor

AUS BERLIN KARIN LOSERT

Gute Nachrichten von Deutschlands Hochschulen: Die Zahl der Absolventen steigt wieder. Und das deutlich. Rund 218.000 Studierende beendeten im Jahr 2003 erfolgreich ihr Studium. Das bedeutet einen Zuwachs von 4,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden gestern mitteilte. Das ist der höchste Stand seit vier Jahren. Im Durchschnitt waren die Studienabgänger beim Abschluss ihres Erststudiums 27,9 Jahre alt und haben 5,3 Jahre studiert.

44 Prozent der Absolventen schlossen ihr Studium mit einem Universitätsdiplom ab, ein Drittel schaffte den Abschluss an einer Fachhochschule. Erfreulich ist auch die Zunahme von weiblichen Studierenden: Ihr Anteil nahm überproportional um rund acht Prozent zu und liegt damit nur noch geringfügig unter dem der Männer. Geht es um eine spätere Unikarriere, sieht das Bild allerdings anders aus: Im Jahr 2002 waren nur 11,9 Prozent der Professoren weiblich, unter den Lehrstuhlinhabern waren es gar nur acht Prozent.

Bundesbildungssministerin Edelgard Bulmahn (SPD) sieht sich durch die jüngsten Zahlen der Absolventenentwicklung ihre Politik bestätigt. „Die langfristig angelegte Strategie der Bundesregierung für mehr Bildung zeigt erste positive Effekte“, so Buhlmahn. Im Zuge der großen Bafög-Reform sei die Quote der Studierenden eines Jahrgangs seit 1998 von 28 Prozent auf jetzt 36 Prozent gestiegen. „Diese höhere Beteiligung wird sich in den kommenden Jahren noch stärker in den Absolventenzahlen niederschlagen.“

Während die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zulegen konnten (plus 8,6 Prozent), ist die Nachfrage in den ingenieur- und naturwissenschaftlichen Studienfächern gespalten. So gab es im Fach Informatik einen Zuwachs von 20 Prozent zu verzeichnen, in Chemie (minus 3,8 Prozent) und Physik (minus 3,5 Prozent) ist der Trend jedoch weiter rückläufig. Elf Prozent der Prüflinge erlangten einen Doktortitel und knapp zehn Prozent verließen die Hochschulen als angehende Lehrer.

Die Zahl der Hochschulabsolventen war seit 1997 kontinuierlich von 237.144 auf den bisherigen Tiefstand 2001 mit 208.123 gesunken. Seit 2002 gibt es wieder einen leichten Anstieg. Doch hier von einem Trend zu sprechen, sei zu früh, meint Hochschulforscher Karl-Heinz Minks: „Eine Zahl beschreibt noch keine Entwicklung.“ Die Gründe für den neuerlichen Anstieg seien komplex und noch genauer zu analysieren. Unter anderem spiele aber die Zunahme der Studienberechtigten in Ostdeutschland eine Rolle. Minks rechnet in den nächsten Jahren mit noch weiteren Zuwächsen, bevor es etwa ab 2010 zu einer „demographischen Talfahrt“ bei den Absolventenzahlen kommt. „Dann werden sich die einzelnen Fachbereiche um die Studienberechtigten streiten“, prophezeit er.

Potenzial sieht Karl-Heinz Minks gerade in den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen. 5.500 Studierende schlossen im vergangenen Jahr in einem der internationalen Studiengänge ab, die in Deutschland erst zum Jahr 2000 eingeführt wurden. Hier erwarten die Experten schon im nächsten Jahr eine Verdopplung der Zahlen. „Die Befürchtung vieler Studierende, hier nur einen Discountabschluss zu erreichen, ist gewichen.“

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