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: Späte Chance für das Klima

Man hatte schon nicht mehr zu hoffen gewagt, dass Russland ratifizieren würde. Immer wieder zögerte Wladimir Putin das Verfahren heraus, pokerte mit der EU um möglichst hohe Gegenleistungen. Nun sieht es so aus, als ob das 1997 in Kioto verabschiedete Klimaschutzabkommen bald in Kraft treten könnte – nach langer Durststrecke endlich mal eine gute Nachricht.

KOMMENTARVON MATTHIAS URBACH

Und der Zeitpunkt ist günstig: Kommendes Jahr wird der britische Premier Tony Blair der G 8 vorsitzen, im zweiten Halbjahr auch der EU. Damit wird er der EU-Verhandlungsführer auf der ersten Vertragsstaatenkonferenz des Kioto-Protokolls Ende nächsten Jahres sein. Kein anderer Regierungschef in Europa hat den Klimaschutz so zu seiner Herzensangelegenheit gemacht wie Blair, kein anderer hat einen so guten Kontakt zur US-Regierung.

US-Präsident George W. Bush wird wohl dennoch nicht ins Boot zu holen sein. Aber bei einem möglichen Präsidenten namens John Kerry gäbe es schon die Chance, die USA wieder in den Prozess zu integrieren. Und es wird, darüber darf der Beitritt Russlands nicht hinwegtäuschen, ohne die USA nicht lange gehen. Putins Schritt, so viel wenigstens darf man sagen, wird den politischen Druck auf die Amerikaner kräftig erhöhen.

Aber auch Europas Industrie kann sich nach einer Ratifizierung durch Russland nicht länger verstecken. Mit Verweis auf Putins Zögern konnte sie bislang verhindern, dass ihr allzu große Verpflichtungen für den ersten Abschnitt des Emissionshandels bis 2007 auferlegt wurden. In der folgenden Periode wird sie nachlegen müssen. Das ist schon deshalb wichtig, weil die EU mit dem Emissionshandel ein Instrument austestet, mit dem selbst dem US-Kongress die Rückkehr zur ökologischen Verantwortung schmackhaft gemacht werden könnte. Schließlich war dieser Handel eine amerikanische Idee.

Der Wandel des Klimas wird unsere Zivilisation in diesem Jahrhundert vor große Herausforderungen stellen. Gemessen am Notwendigen, um den Treibhauseffekt im Zaum zu halten, war das Kioto-Protokoll schon 1997 eine Enttäuschung. Vier Jahre später mussten zudem weitere Zugeständnisse gemacht werden. Unterm Strich kann das Protokoll daher den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2012 bestenfalls stabilisieren. Wenigstens gibt es aber nun ein Gerüst, auf das sich aufbauen lässt. Welche Gründe am Ende den Ausschlag für Putins Schritt gegeben haben, ist da völlig egal.