Putin bremst. Bush rast weiter

Das russische Kabinett stimmt dem Kioto-Protokoll zu. Damit könnte das Klimaschutz-Abkommen bald in Kraft treten. Die für die meisten Emissionen verantwortlichen USA verweigern sich weiter

BERLIN taz ■ Das russische Kabinett hat das Klimaschutzprotokoll von Kioto an das Parlament zur Ratifizierung weitergeleitet. Die Zustimmung der von Putins Anhängern kontrollierten Duma gilt als wahrscheinlich. Damit könnte das Kioto-Protokoll schon bald in Kraft treten. Die EU-Kommission, die Bundesregierung sowie Umweltverbände begrüßten den Schritt. Bundeskanzler Gerhard Schröder wertete den Beschluss als Zeichen, dass Russland in der öffentlichen Meinung bislang zu negativ bewertet worden sei.

Das Klimaschutzprotokoll wurde 1997 in Kioto verabschiedet, die endgültigen Regeln vor drei Jahren in Bonn und Marrakesch festgelegt. Der Vertrag kann aber erst in Kraft treten, wenn er von 55 Ländern ratifiziert wurde, die 55 Prozent des Kohlendioxidausstoßes der Industrieländer repräsentieren. Bislang haben 125 Länder mit 44 Prozent der Emissionen ratifiziert. Mit Russland könnte das Protokoll in Kraft treten.

Die USA wären somit das letzte wichtige Land, das sich dem Kioto-Prozess verweigert – obwohl die USA für ein Drittel der Emissionen der Industrieländer verantwortlich sind. Das Thema könnte jetzt eine größere Rolle im US-Wahlkampf spielen.

Putins Zustimmung geht direkt auf die Verhandlungen mit der EU über einen WTO-Beitritt zurück. Im Mai hatte die EU Zugeständnisse gemacht, was das Tempo der Liberalisierung der russischen Märkte nach einem Beitritt zur Welthandelsorganisation anbelangt. Weil sich nun Russland nicht ganz so schnell der europäischen Wirtschaft öffnen muss, sagte Putin im Gegenzug die Ratifizierung des Kioto-Protokolls zu – ohne sich auf einen Zeitpunkt festzulegen.

Putins Wirtschaftsberater Andrei Illarionow, seit Jahren scharfer Kritiker des Kioto-Protokolls, sprach dagegen von einer „erzwungenen politischen Entscheidung“ und brachte die russische Kabinettsentscheidung in Zusammenhang mit dem verheerenden Echo auf Putins Pläne zur Beschneidung der russischen Demokratie nach dem Geiseldrama von Beslan. Illarionow hält das Protokoll für schädlich für Russlands Wirtschaft.

Allerdings rechnen Ökonomen vor, dass das Land vom Kioto-Protokoll auch wirtschaftlich profitieren würde. Ökologisch sowieso: „Der Klimawandel bedroht auch Russland – etwa durch das Auftauen der Permafrostböden mit erheblichen Auswirkungen auf die Infrastruktur“, sagte Bundesumweltminister Jürgen Trittin. MATTHIAS URBACH

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