village voice
: Die Liebste und die Lampe: „innen/außen“ von Delbo

Die drei von Delbo haben zweifellos ihren Teil Indierock gehört. Man kann sie förmlich spüren auf „innen/außen“, ihrem zweiten Album, die Anwesenheit von Gesellen wie Pavement, Guided By Voices oder Modest Mouse. Man kann sie im Hintergrund anerkennend mit dem bescheiden gesenkten Kopf nicken sehen, wenn Delbo an ihren Gitarren friemeln, die Rhythmen zerhacken und wieder zusammensetzen, wenn sie an subtilen Steigerungen arbeiten und kurzen Soundexplosionen, um schnell wieder zurückzukehren zur selbstverlorenen Frickelei, bevor sie sich auf einen kurzen Ausflug in den Noise begeben, der aber nie so richtig bösartig lärmen darf, damit die berückend schöne Melodie, die noch im Übungskeller herumlag, sich nicht allzu fremd fühlen mag.

Musikalisch also befinden wir uns vornehmlich in den schier endlosen Weiten amerikanischer Vorstadt-Garagen, folgen dem Berliner Trio auf Spurensuche in Klischees und Klangwelt ihrer eigenen Vorbilder. Aber hier enden dann doch die Gemeinsamkeiten, denn von der textlichen wie gesanglichen hemmungslosen Selbstentäußerung, die den US-Indierock bestimmt, halten Bassist und Sänger Daniel Spindler, Schlagzeuger Florian Lüning und Gitarrist Tobias Siebert nur wenig.

Zwar singt auch Spindler von sich, singt von Freunden und Bekannten, singt von Tagen, die einen verwandeln, singt von der Liebsten, die in der Lage ist, das ganze Firmament voller Lampen zu hängen. Aber er singt halt auch von einem Bauch, in dem plötzlich jemand Fremdes lacht, was ein eher unangenehmes Gefühl sein muss, singt von Knien, denen man nichts mehr sagen muss, und von der Suche nach Methoden, sich selbst fortzutragen. Die Sprache, die Delbo benutzen, und der eher lakonische Tonfall von Spindlers Stimme schaffen Abstand vom Gegenstand und abstrahieren das persönliche Erleben.

So zieht man den Zuhörer aus der Position des Voyeurs und macht ihn zum Mitmenschen, der sich selbst und seine Lage erkennen kann, wenn er denn mag. So aber erntet manche Zeile allerdings auch verständnisloses Kopfschütteln, wenn man sich unweigerlich fragt, was der Dichter einem da nun eigentlich sagen wollte. So ist „innen/außen“ lange nicht so eingängig und jugendlich direkt wie Virginia Jetzt!, nicht so ironisch rockend wie Surrogat, nicht so verkopft wie die frühen Blumfeld und beileibe nicht so altväterlich wie die aktuellen Blumfeld.

Aber in dem weiten Spektrum zwischen all diesen Polen ist noch viel Platz, und Delbo beginnen ihn auszufüllen mit Melodien, die mit jedem Hören wachsen, und Zeilen, die mit jedem Hören ein altes Geheimnis enthüllen und ein neues Rätsel stellen. Dabei beweisen sie, dass Intelligenz keine Last, Melancholie keine pubertäre Attitüde und gute Rockmusik sehr wohl noch möglich sein kann dieser Tage. Und das ist viel, sehr viel, vielleicht zu viel. Aber man muss es halt versuchen.

THOMAS WINKLER

Delbo: „innen/außen“. Loob Musik/Alive!