Fundgrube: Neue Architektur in und aus Berlin
: Strategien des geordneten Rückzugs auf einer Großbaustelle

Alle Jahre wieder kommt der Rück- und Ausblick zur Architektur in und aus Berlin. Doch ARCHITEKTUR BERLIN 04 hat diesmal eine veränderte Form, gestaltet von einer neuen Redaktion und erschienen in einem anderen Verlag. Einer Reihe von analytischen Beiträgen folgt die Dokumentation derjenigen Arbeiten, die in der Ausstellung „da! Architektur in und aus Berlin“ bereits im Sommer präsentiert worden waren. Schon der Untertitel des Jahrbuchs – „Über die Vereinbarkeit von Bauen und Architektur“ – lässt zumindest stutzen und verleitet zum Hineinblättern.

Dass es ruhiger geworden ist auf der Großbaustelle Berlin, ja von Krise ist die Rede im Jahrbuch der Berliner Architektenkammer, ist hinlänglich bekannt – einerseits. Andererseits wird „die zeremonielle Würde der Politik“ gepriesen, die sich mit der Vollendung des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses am Band des Bundes entfalte. Auch Rem Koolhaas’ Niederländische Botschaft findet eine Würdigung – wohlwollend aber auch mit einem deutlich ironischem Unterton. Schon an diesen zwei Beispielen ist zumindest der Beweis erbracht, dass es trotz abschwellenden Baubooms noch lange nicht langweilig wird im Berliner Bau- und Architekturgeschehen.

Dem Blick auf die großen und kleinen mehr oder minder vorzeigbaren neuen Einzelstücke folgt eine nüchterne Analyse: Die Berliner Entwicklungsgebiete (Adlershof/Johannisthal, Eldenaer Straße, Biesdorf Süd, Rummelsburger Bucht und Wasserstadt Oberhavel) sind die Objekte der kritischen Zwischenbilanz. Wie das Fass ohne Boden entstand und welche Strategien des geordneten Rückzugs nun zur Debatte stehen, wird in diesem Beitrag bündig zusammengefasst – bodenständig und frei von Euphemismus oder Fatalismus.

Dazu passt auch das „Plädoyer für die Brache“. Gemeint ist damit der Schlossplatz, der so leer ja gar nicht ist, wie diejenigen meinen, denen vor dieser empfundenen Leere offenkundig graut. Das Plädoyer für die Brache ist vor allem eines gegen historisierendes Bauen. Das lässt die vorangegangene Pro-Contra-Debatte über die geplanten „Stadthäuser“ am Friedrichswerder noch einmal in anderem Licht erscheinen. Stilistisch und geografisch liegen diese Beiträge schließlich ganz nah beieinander. Erfrischend ist es aber vor allem gerade in einem Architekturjahrbuch eine vehemente Verteidigung der unfertigen Leere zu lesen.

Das Gebaute folgt ohnehin auf den Fuß. In diesem Falle sind das allesamt Projekte, denen das siebenköpfige Auswahlgremium Qualität bescheinigte und die bereits in der Ausstellung „da! Architektur in Berlin“ vorgestellt wurden. Im zweiten Teil des Jahrbuchs werden diese 70 Projekte auf jeweils einer Seite in Bildern und Text präsentiert – ein knappes, übersichtliches Panorama dessen, was im vergangenen Jahr in Berlin entstanden ist.

Nach der Lektüre bleibt lediglich eine Frage: Wo findet sich in diesem Band der rote Faden zur „Vereinbarkeit von Bauen und Architektur“, der im Untertitel angekündigt wurde? Aber auch für die, welche keine Antwort auf die Frage finden, lohnt sich das Schmökern in dem Jahrbuch.

LARS KLAASSEN

ARCHITEKTUR BERLIN 04. Über die Vereinbarkeit von Bauen und Architektur. Architektenkammer Berlin (Hg.), Verlagshaus Braun, Berlin 2004, 160 Seiten mit circa 330 Farbabbildungen und 70 Grundrissen, Klappenbroschur, 19,90 €