Frankreich kennt keine Rabenmütter

Unter den 25 wichtigsten Geschäftsfrauen Europas sind nur zwei aus Deutschland: Jil Sander und Mary Jo Gresens. In anderen Ländern ist der Aufstieg leichter. Deutsche Kinderbetreuung rückständig, weniger Schutz vor Diskriminierung

BERLIN taz ■ Das Wort „Rabenmutter“ gibt es im Französischen nicht. Sagt Anna Renkamp. Sie leitet das Equal-Projekt der Bertelsmann-Stiftung, das unter anderem Frauen in Beschäftigung bringen soll. Renkamp weiß, was Frauen in der Wirtschaft erleben. Zum Beispiel, dass sie es in Deutschland viel schwerer haben als in Frankreich oder Großbritannien, in Top-Positionen von Unternehmen vorzudringen.

Das ist auch das Ergebnis einer Auswahl-Aktion der Financial Times Deutschland. Das Blatt hat die 25 wichtigsten Geschäftsfrauen Europas gekürt. Darunter sind gerade zwei mit Sitz in Deutschland: Designerin Jil Sander und Mary Jo Gresens, Finanzchefin der Maschinenbaufirma INA Schaeffler – wobei Gresens gebürtige US-Amerikanerin ist.

Rabenmutter: Das Fehlen des Wortes im Französischen verdeutlicht nach Renkamps Einschätzung einen wesentlichen Unterschied. In Frankreich sei es „eher verpönt“, wenn Frauen nach Ausbildung und Studium zu Hause blieben, um kleine Kinder zu versorgen. In Deutschland dagegen müssten Frauen sich Vorwürfe anhören, wenn sie den Beruf für die Aufzucht des Nachwuchses zurückstellen. Diese deutsche Mentalität fuße auf der Rückständigkeit der hiesigen Kinderbetreuung. Bedingt auch durch einen Mangel an Plätzen, werden hierzulande nur sechs Prozent der Kinder unter drei Jahren in öffentlichen Einrichtungen betreut. Viele Frauen stehen damit vor der subjektiven oder objektiven Wahl: entweder Kinder oder Arbeit. Der Karriereknick ist programmiert: Nach drei Jahren Abstinenz vom Beruf sind die männlichen Konkurrenten häufig an ihnen vorbeigezogen.

Das Ergebnis lässt sich etwa bei der Unternehmensberatung Kienbaum beobachten. In den deutschen Filialen arbeiten nur wenige Frauen mit größerer Verantwortung. Im Kienbaum-Ableger Paris dagegen gibt es fast keine Männer. Christian Ernst vom Institut für Personalforschung in St. Augustin sagt es so: Wegen der Probleme mit der Kinderbetreuung würden deutsche Personalmanager lieber „den zweitbesten Mann als die beste Frau einstellen“.

Ein weiterer Faktor macht sich in Großbritannien bemerkbar. Dort schaffen es mehr Frauen in Führungspositionen, weil durch die engen Kontakte zu Amerika das US-Antidiskriminierungsrecht bekannter ist. 9 der 25 Top-Business-Frauen der FTD haben ihren Sitz in Großbritannien.

Ein Gesetz gegen Diskriminierung gibt es in Deutschland nicht. Auch die Quotenregelungen, die Frauen im Beruf Chancen verschaffen sollten, kommen hierzulande aus der Mode.

Weil die Durchlässigkeit der deutschen Wirtschaftselite für Frauen gering ist, bleiben die alten patriarchalen Mechanismen erhalten. Weibliche Führungsaspirantinnen würden häufig von einer „gläsernen Decke“ am weiteren Aufstieg gehindert, sagt Katja Monschau von der Unternehmensberatung Roland Berger: Bei der Position der Teamchefin sei häufig Schluss. Weiter aufwärts gehe es dann nicht, weil das Netzwerk der Männer die weibliche Konkurrenz behindere. Für solche Fälle gibt Managerin Mary Jo Gresens einen Tipp: Frauen sollten „ihr Ziel konsequent im Auge behalten“ und ihre vermeintlichen Nachteile als Frau gar nicht erst betonen.

HANNES KOCH, MARCO LAUER