Bei Hochzeit Knast

Baden-Württemberg stellt einen Gesetzentwurf gegen Zwangsheirat vor. Eltern droht bis zu fünf Jahren Haft

STUTTGART taz ■ „Eigentlich wollen die Eltern nichts Böses“, erklärt die türkische Sozialwissenschaftlerin Necla Kelek, „sie möchten die Kinder gut verheiraten.“ Deshalb verhandeln sie mit anderen Eltern und arrangieren Ehen für ihre Söhne und Töchter. Gefragt werden diese selten.

„Fast jede arrangierte Ehe ist eine Zwangsheirat“, sagt Kelek. Baden-Württemberg will jetzt gegen diese vor allem unter türkischen Migranten immer noch weit verbreitete Praxis rechtlich vorgehen. „Zwangsheiraten müssen im Strafgesetzbuch ausdrücklich verboten werden“, fordert der Stuttgarter Justizminister Ulrich Goll (FDP).

Das Land hat diese Woche einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht. Auch bisher kann eine Zwangsheirat bestraft werden – als Nötigung. Praktisch geschah dies selten. Goll will deshalb eine „eigene Überschrift“ im Strafgesetzbuch. So soll bei den Eltern Unrechtsbewusstsein erzeugt und das Selbstbewusstsein der betroffenen Frauen gestärkt werden. Die Strafe würde zwischen drei Monaten und fünf Jahren Haft liegen.

Kann man sich aber vorstellen, dass künftig Töchter ihre Eltern anzeigen, wenn diese eine Ehe erzwingen? „Ich hätte das gemacht“, sagt Fatma Bläser, Autorin des Buches „Hennamond“, in dem sie über Erfahrungen mit einer versuchten Zwangsheirat berichtet. Die Berliner Rechtsanwältin Seyran Ates geht noch weiter: „Mir kann das Gesetz gar nicht streng genug sein.“ Sie forderte eine Mindeststrafe von einem Jahr. Zwangsheirat wäre dann ein Verbrechen. Die Sozialwissenschaftlerin Kelec will lieber „am Ausländerrecht ansetzen“. „Frauen und Männer unter 22 Jahren sollten nicht als Ehepartner nach Deutschland geholt werden dürfen“, fordert sie und verweist auf entsprechende Regelungen in Dänemark und den Niederlanden.

Minister Goll wollte die Anregung prüfen, warnte aber vor einem Sonderrecht für türkische Einwanderer. Außerdem gebe es Zwangsheiraten auch bei Migranten aus Sri Lanka, Griechenland oder Süditalien.

CHRISTIAN RATH

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