Null-Euro-Job dank Agentur für Arbeit

Bedenkenlos vermittelte die Bonner Agentur für Arbeit Erwerbslose an eine dubiose Troisdorfer Firma. Lohn zahlte das Unternehmen nicht. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft – und die Arbeitsagentur wäscht ihre Hände in Unschuld

von HELMUT LORSCHEID

Das Arbeitsamt – neudeutsch „Agentur für Arbeit“ genannt – fördert fast alles, was irgendwie nach künftigen Arbeitsplätzen ausschaut. Das machte sich ein Troisdorfer Unternehmer zunutze, der unter anderem Telefonagenten und Werbetexter benötigte – und das möglichst für lau. Also entlockte er der Arbeitsagentur Bewilligungen für so genannte „Trainingsmaßnahmen“.

Auf diese Weise „beschäftigte“ die Firma Prodemis allein in diesem Jahr über dreißig Personen. Drei von ihnen, schwärmte die Bonner Agentur für Arbeit, seien nach Durchlaufen der Trainingsmaßnahme sogar „sozialversicherungspflichtig“ eingestellt worden.

Für den Unternehmer waren die Trainingsmaßnahmen eine feine Sache: Seine neuen Arbeitskräfte kosteten ihn nichts, bis zu zwei Monate zahlte die Bonner Agentur das Arbeitslosengeld weiter, nun als Lohnersatz. Außerdem gab es für die „Arbeitnehmer zur Probe“ noch eine Fahrkostenpauschale.

Lohn erhalten haben indes die vermeintlich sozialversicherungspflichtig Eingestellten bis heute nicht, wie alle drei gegenüber der taz bestätigten. Auch die Sozialversicherung wurde zumindest in einem Fall nachweisbar nicht bezahlt. Die „Firma“ war übrigens zumindest bis Ende März dieses Jahres außer beim Arbeitsamt nirgends eingetragen – weder im Handelsregister noch beim zuständigen Gewerbeamt in Troisdorf. Dennoch vermittelte die Arbeitsagentur bundesweit Arbeitskräfte in diese „Firma“, über deren Geschäftsgebaren ehemalige Mitarbeiter inzwischen die Staatsanwaltschaft in Bonn informiert haben.

Ebenfalls pikant: In einigen Fällen wurden die Arbeitssuchenden, wie Helene S. aus Bornheim bei Bonn, vom Arbeitsamt zur Annahme der Tätigkeit bei Prodemis verpflichtet. Denn das ihr übersandte „Angebot einer Arbeitsstelle“ war mit einer Rechtsfolgenbelehrung verbunden, in der es heißt: „Wenn Sie ohne wichtigen Grund die Ihnen angebotene Beschäftigung nicht annehmen oder nicht antreten oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch ihr Verhalten verhindern (...) trifft eine Sperrzeit ein.“ Sie hatte also keine Wahl.

Nach drei Monaten erhielt Frau S. zum 1. April 2004 einen Anstellungsvertrag. Den unterschrieb sie jedoch erstmal lieber nicht, sondern ließ ihn vorsichtshalber von ihrem Anwalt prüfen. Dessen Resümee: Der Vertrag sah „als Gegenleistung (Vergütung) für Ihre Arbeitsleistung überhaupt keine Zahlung eines Mindestlohnes vor“. Sie sollte „die ersten acht Wochen des Angestelltenverhältnisses umsonst arbeiten“. Auch danach sah der Vertrag „nur ausnahmsweise dann eine Entlohnung vor, wenn ihr monatlicher Mindestumsatz 27.755,00 Euro ‚netto‘ erreicht“. Frau S. verzichtete dankend auf den Job.

Auch Rainer S. aus Lennestadt ließ sich nach einer mehrwöchigen vom Arbeitsamt finanzierten „Trainingsmaßnahme“ zum 1. April anstellen. Er wartet immer noch vergeblich auf seinen Lohn. Da er die Stelle vom Arbeitsamt zugewiesen bekam, stellte er diesem seine Forderung über 2.256 Euro in Rechnung. Doch das betrachtet sich als nicht zuständig und als vollkommen unschuldig an der Misere der von ihr „vermittelten“ Kunden. So schrieb die Siegburger Geschäftsstellenleiterin der Agentur für Arbeit, Gudrun Klenke, an den um seinen Lohn geprellten Rainer S., es würde sich in diesem Fall um eine Arbeitsrechtsstreitigkeit handeln, an der die Agentur für Arbeit nicht beteiligt sei.

Die Agentur sieht auch keine Veranlassung, sich vom Verantwortlichen der Firma Prodemis, Konstantin S., die von ihr bezahlten Fahrtkosten und Löhne ersetzen zulassen. Der Agentur, so ihr Bonner Sprecher Paul Moser gegenüber der taz, sei ja schließlich kein Schaden entstanden.

Dabei liegen der Arbeitsagentur seit längerem Beschwerden über die Firma vor. Das geht jedenfalls aus einem Memorandum hervor, in dem Raphael W., die damalige rechte Hand des Firmeninhabers, am 12. November 2003 für seinen Chef die Inhalte eines zuvor mit einem „Herrn Lange, Arbeitsamt Bonn“ geführten Telefonats festhielt. Dort heißt es: „Herr Lange teilte mir soeben mit, dass es von mehreren von ihm nicht zu benennenden Personen mündliche Beschwerden bezüglich Prodemis S(...) gab, die beinhalten, dass es sich bei Prodemis S(...) um eine unseriöse Scheinfirma handle, die ihr unternehmerisches Risiko vom Arbeitsamt in Form von so genannten Trainingsmaßnahmen finanzieren lassen würde. Diese Beschwerden sind von Herrn Lange jedoch weder weiterverfolgt noch seinem Vorgesetzten mitgeteilt worden“. Nach der Rolle dieses Herrn Lange befragt, hüllt sich die Arbeitsagentur bisher in Schweigen.