„Und die Mädchen?“

„Fakt“ ist die neue polnische „Bild“-Zeitung aus dem Hause Springer. Fakt ist aber auch, dass der Start am Mittwoch von Problemen überschattet war

aus Warschau GABRIELE LESSER

Die Typenhebel einer alten Schreibmaschine rasen auf den Fernsehzuschauer zu. Doch die Buchstaben zerschlagen nicht den Bildschirm. Vielmehr dreht das Bild. Statt weißem Papier ist eine dunkelrote Ziegelmauer zu sehen. Mit jedem Schlag fliegen laut polternd Ziegel auf den Boden. Am Ende strahlt die Sonne durch das in die Mauer geschlagene „Fakt“, und eine tiefe Stimme sagt: „Fakt kommt ans Tageslicht. Fakt, die tägliche Zeitung.“

„Die Werbung ist gut“, findet der Warschauer Busfahrer Piotr Gwizdor. Er liest normalerweise Superexpress oder auch schon mal die Sportrundschau. Am Mittwoch hat er sich Fakt gekauft. „Die Werbung hat mich neugierig gemacht. Außerdem will ich doch mal sehen, ob das jetzt wirklich eine polnische Bild-Zeitung ist.

Mit einer Startaufauflage von 700.000 Exemplaren will Axel Springer Polska nun auch den Zeitungsmarkt in Polen erobern. Ausgerechnet die 70.000 in Berlin gedruckten Zeitungsexemplare für Warschau fehlten zunächst: Das Flugzeug aus Berlin war mit mehrstündiger Verspätung gelandet.

15 Zeitschriften gibt der Verlag schon in Polen heraus. Keine andere Tageszeitung hat je einen solchen Aufwand betrieben. Der Werbeetat für die Einführung des Boulevardblatts beträgt allein bis Ende 2004 knapp 20 Millionen Euro. Mit Fernseh- und Radiospots, die auch zu brisanten Themen aktuell produziert werden, werben auch bereits polnische Zeitungen. Doch Springer wird künftig Sponsor von Adam Malysz, dem polnischen Skispringer und Sportliebling der Nation, sein. Da die Wintersaison kurz bevorsteht, werden die Skier von Malysz mit dem knallroten Fakt-Logo fast jeden zweiten Tag im Fernsehen zu sehen sein. Außerdem hat der beliebte Skispringer eine eigene Sportkolumne in Fakt.

„Fakt“ im Busfahrertest

In zwei bis vier Jahren soll eine Auflage von 300.000 Exemplaren erreicht werden. Bis spätestens 2007 soll Fakt in die Gewinnzone kommen, sodass das eingesetzte Kapital in fünf bis acht Jahren zurückverdient wäre.

Im Warschauer Stadtteil Mokotow machen die Busfahrer vor der Andrzej-Bobola-Kirche Frühstückspause. Sie fachsimpeln: Welches Boulevardblatt ist das beste: Fakt, Superexpress oder das kostenlose Anzeigenblatt Metro? Gwizdor wiegt den Kopf hin und her und brummt: „Na, das Rad haben die Deutschen auch nicht gerade neu erfunden. Fakt sieht auch nicht anders aus als Superexpress.“ Sein Kollege von der Buslinie 138 zieht ein zerknittertes Exemplar aus der Jackentasche: „Fakt ist dicker. Da ist von allem mehr drin: mehr Politik, mehr Leute, mehr Wirtschaft und vor allem mehr Sport.“ Gwizdor bleibt mürrisch: „Und mehr Mädchen? Wo sind die denn? Okay, die Brüste von der Freundin von Tiger Michalczewski sind ganz schön. Aber nur von der Seite? Wenn das alles ist …“.

Tatsächlich hat sich die bislang einzige Boulevardzeitung Polens gut auf das Erscheinen des Konkurrenzblattes vorbereitet. Noch nie zuvor konnte Chefredakteur Mariusz Ziomecki über einen Werbeetat im achtstelligen Zloty-Bereich (umgerechnet über zwei Millionen Euro) verfügen. In den letzten Monaten hat er das Blatt, das in einer Auflage von 270.000 Exemplaren erscheint, stärker an der deutschen Bild-Zeitung ausgerichtet. So ist Superexpress heute der deutschen Bild ähnlicher als das eigentliche polnische Schwesterblatt Fakt.

Piotr Gwizdor packt Thermoskanne und Zeitung zusammen. Die nächste Tour steht an. „Fakt ist billiger als Superexpress. Nur ein Zloty (23 Cent). Superexpress dagegen kostet 1,60 (47 Cent). Ich kaufe erst mal Fakt. Und wenn der Preis dann hoch geht, steige ich wieder um auf Superexpress.“